Dr. iur. Berthold Hilderink, Prof. Dr. Martin Becker
Rz. 561
Die Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten kann "an sich" einen wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB darstellen (BAG v. 25.4.2018 – 2 AZR 611/17, Rn 43; BAG v. 20.10.2016 – 6 AZR 471/15, Rn 18; BAG v. 19.1.2016 – 2 AZR 449/15, Rn 29; BAG v. 26.3.2015 – 2 AZR 517/14, Rn 23; BAG v. 8.5.2014 – 2 AZR 249/13, Rn 19). Das betrifft sowohl auf die Hauptleistungspflicht bezogene Nebenleistungspflichten, die der Vorbereitung, der ordnungsgemäßen Durchführung und der Sicherung der Hauptleistung dienen und diese ergänzen, als auch sonstige, aus dem Gebot der Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) erwachsende Nebenpflichten (BAG v. 25.4.2018 – 2 AZR 611/17, Rn 43; BAG v. 20.10.2016 – 6 AZR 471/15, Rn 18; BAG v. 19.1.2016 – 2 AZR 449/15, Rn 29; zum Inhalt möglicher Nebenleistungspflichten vgl. BAG v. 28.10.2010 – 8 AZR 418/09, Rn 12).
Rz. 562
Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei eines Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Der Arbeitnehmer hat seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben billigerweise verlangt werden kann (BAG v. 25.4.2018 – 2 AZR 611/17, Rn 44). Er ist danach auch außerhalb der Arbeitszeit verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen (BAG v. 25.4.2018 – 2 AZR 611/17, Rn 44). Durch ein rechtswidriges außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers werden berechtigte Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigt, wenn es negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat (BAG v. 25.4.2018 – 2 AZR 611/17, Rn 44). Der Arbeitnehmer verstößt mit einem solchen Verhalten gegen seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme aus § 241 Abs. 2 BGB, wenn es einen Bezug zu seinen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen oder zu seiner Tätigkeit hat und dadurch berechtigte Interessen des Arbeitgebers oder anderer Arbeitnehmer verletzt werden (BAG v. 25.4.2018 – 2 AZR 611/17, Rn 44; BAG v. 10.4.2014 – 2 AZR 684/13, Rn 14; BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 583/12, Rn 26).
Rz. 563
Mitarbeiter von Kreditinstituten i.S.v. § 1 Abs. 1 KWG sind nach § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet, die im Geldwäschegesetz geregelten Pflichten, sonstige geldwäscherechtliche Pflichten und die bei ihrem Arbeitgeber eingeführten Strategien, Kontrollen und Verfahren zur Verhinderung von Geldwäsche sorgfältig zu beachten, Tatsachen nach § 43 Abs. 1 GwG ihrem Vorgesetzten oder – sofern ein solcher bestellt ist – dem Geldwäschebeauftragten zu melden, und sich weder aktiv noch passiv an zweifelhaften Transaktionen oder Geschäftsbeziehungen zu beteiligen (BAG v. 25.4.2018 – 2 AZR 611/17, Rn 45). Dies folgt aus der Pflicht der Kreditinstitute i.S.d. § 1 Abs. 1 KWG als Verpflichtete i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 GwG gem. § 6 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 Nr. 5 GwG die Mitarbeiter auf ihre Zuverlässigkeit i.S.v. § 1 Abs. 20 GwG zu überprüfen (BAG v. 25.4.2018 – 2 AZR 611/17, Rn 45; vgl. BT-Drucks 17/6804, 34; LAG Berlin-Brandenburg v. 23.10.2014 – 21 Sa 800/14, zu B I 2 b aa der Gründe). Ob sich diese Pflicht auf Mitarbeiter beschränkt, die befugt sind, bare oder unbare Transaktionen auszuführen, die mit der Anbahnung und Begründung von Geschäftsbeziehungen befasst sind oder die im Rahmen ihrer arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit sonst der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung Vorschub leisten können oder ob sie darüber hinaus gehend alle Mitarbeiter betrifft, hat das BAG offengelassen (BAG v. 25.4.2018 – 2 AZR 611/17, Rn 44).
Als "zweifelhaft" i.S.v. § 1 Abs. 20 Nr. 3 GwG sind Transaktionen oder Geschäftsbeziehungen anzusehen, bei denen für den zuständigen Mitarbeiter eines Kreditinstituts i.S.v. § 1 Abs. 1 KWG aufgrund seines bankgeschäftlichen Verständnisses oder seines Erfahrungswissens ohne Weiteres, d.h. ohne weitere Aufbereitung, Abklärung oder Anreicherung des Sachverhalts, erkennbar ist, dass Abweichungen vom üblichen Geschäftsmuster oder Verhalten der am Vorgang Beteiligten (Kunden oder Dritte) vorliegen, ohne dass insoweit das Vorliegen eines strafprozessualen Anfangsverdachts erforderlich ist (BAG v. 25.4.2018 – 2 AZR 611/17, Rn 44).
Rz. 564
Es besteht eine Nebenleistungspflicht des Arbeitnehmers, sich nicht in einen Zustand zu versetzen, in dem er seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis nicht erfüllen oder bei Erbringung seiner Arbeitsleistung sich oder andere gefährden kann (BAG v. 20.10.2016 – 6 AZR 471/15, Rn 18; BAG v. 26.01 1995 – 2 AZR 649/94, zu B III 3 a der Gründe). Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Fähigkeit zur (sicheren) Erbringung der Arbeitsleistung durch ein Verhalten während oder außerhalb der Arbeitszeit eingeschränkt wurde (BAG v. 20.10.2016 – 6 AZR 471/15, Rn 18). So hat der Arbeitneh...