Dr. iur. Berthold Hilderink, Prof. Dr. Martin Becker
Rz. 42
Eine tatsächliche Unterbrechung (Urlaub, Krankheit, Streik, Aussperrung) ist für den Lauf der Wartefrist unschädlich. Eine rechtliche Unterbrechung der Beschäftigung bei einem Arbeitgeber vor Ablauf von sechs Monaten müsste nach dem Wortlaut des Gesetzes dagegen den Lauf der Wartefrist beenden und eine neue Wartefrist beginnen lassen. Von diesem Grundsatz hat die Rspr. (BAG v. 13.9.1973 – 2 AZR 601/72, ARST 1974, 17 = MDR 1974, 172) jedoch dann eine Ausnahme gemacht, wenn innerhalb der sechsmonatigen Wartezeit mehrere Arbeitsverhältnisse zwischen denselben Parteien ohne zeitliche Unterbrechung aufeinanderfolgen, denn nur bei einer rein begriffsjuristischen Betrachtung wird ein Arbeitsverhältnis, das an einem bestimmten Tag um 24.00 Uhr endet und aufgrund eines neuen Arbeitsvertrages um 0.00 Uhr des folgenden Tages fortgesetzt wird, in seinem rechtlichen Bestand für eine fiktive "juristische Sekunde" unterbrochen. Eine solche Auslegung wird aber dem Zweck der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG nicht gerecht. Dieser besteht nämlich darin, dass der Arbeitnehmer erst durch eine gewisse Dauer der Zugehörigkeit zum Betrieb oder Unternehmen das Recht auf eine kündigungsschutzrechtlich gesicherte Arbeitsstelle erwerben soll. Die sechsmonatige Wartezeit i.S.d. § 1 Abs. 1 KSchG setze sich daher auch dann ununterbrochen fort, wenn in ihrem Verlauf das ursprünglich begründete Arbeitsverhältnis rechtlich beendet wird, sich daran aber ohne zeitliche Unterbrechung ein weiteres Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber anschließt (BAG v. 23.9.1976 – 2 AZR 309/75, MDR 1977, 344 = NJW 1977, 1311).
Rz. 43
Trotz des Gesetzeswortlautes sind aber auch rechtliche Unterbrechungen des Arbeitsverhältnisses, die länger als eine "juristische Sekunde" dauern, mit demselben Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen unschädlich. Auf die Wartezeit sind die Zeiten eines früheren Arbeitsverhältnisses mit demselben Arbeitgeber anzurechnen, wenn die Unterbrechung verhältnismäßig kurz war und zwischen beiden Arbeitsverhältnissen ein enger sachlicher Zusammenhang besteht (BAG v. 26.4.1985 – 7 AZR 316/84, BB 1985, 2045 = DB 1985, 2566; BAG v. 10.5.1989, AuR 1990, 233 = NZA 1990, 221; BAG v. 7.7.2011 – 2 AZR 12/10, NZA 2012, 148). Dabei kommt es insb. auf Anlass und Dauer der Unterbrechung sowie auf die Art der Weiterbeschäftigung an (BAG v. 20.06. 2013 – 2 AZR 790/11, Rn 13; BAG v. 7.7.2011 – 2 AZR 12/10, Rn 22, BAGE 138, 321).
Vor diesem Hintergrund ist zu beachten, dass nur aufgrund der bestimmten Dauer einer Unterbrechung allein ein enger sachlicher Zusammenhang mit dem früheren Arbeitsverhältnis i.d.R. nicht abgelehnt werden kann. Je länger jedoch die zeitliche Unterbrechung andauert, umso schwerwiegender müssen die Umstände sein, die für einen sachlichen Zusammenhang sprechen (BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 790/11, Rn 13; BAG v. 22.5.2003 – 2 AZR 426/02, zu B I 2 a der Gründe; BAG v. 20.8.1998 – 2 AZR 76/98, NZA 1999, 481). Zu berücksichtigen sind zudem mögliche Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses oder der betreffenden Branche (BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 790/11, Rn 13).
Rz. 44
Ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen zwei Arbeitsverhältnissen ist zum einen dann zu verneinen, wenn die Initiative zur Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitnehmer ausgegangen ist (APS/Dörner, § 1 KSchG Rn 37), zum anderen, wenn es sich um eine "verhältnismäßig lange" Unterbrechung handelt. Schließlich hängt der Zusammenhang von der Vergleichbarkeit der Aufgaben ab, mit denen der Arbeitnehmer betraut war (APS/Dörner, § 1 KSchG Rn 37; Schaub/Linck, ArbRHB, § 130 Rn 24). Die Unterbrechung von zwei Arbeitsverhältnissen um vier Tage soll unerheblich (BAG v. 6.12.1976 – 2 AZR 470/75, MDR 1977, 344 = RDA 1977, 123), von 2 2/3 Monaten bei einem mehrfach befristeten Arbeitsverhältnis (BAG v. 11.11.1982 – 2 AZR 552/81, NJW 1983, 1443) erheblich sein.
Die vorgenannten Grundsätze kommen auch dann zum Tragen, wenn für das frühere Arbeitsverhältnis nicht deutsches, sondern ausländisches Recht galt. Für die Anrechnung von Beschäftigungszeiten aus einem vorangegangenen Arbeitsverhältnis ist es grds. unerheblich, ob dieses einem anderen Arbeitsvertragsstatut unterlag. Infolgedessen kann die Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG auch durch Zeiten einer Beschäftigung in demselben Betrieb oder Unternehmen erfüllt werden, während derer auf das Arbeitsverhältnis nicht deutsches, sondern ausländisches Recht zur Anwendung gelangte (BAG v. 7.7.2011 – 2 AZR 12/10, NZA 2012, 148).
Rz. 45
Für die Frage der Erheblichkeit der zeitlichen Unterbrechung wurde die entsprechende Anwendung der Regelung im früheren § 1 Abs. 1 S. 3 BeschFG, nach der ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen zwei Arbeitsverhältnissen mit demselben Arbeitgeber immer bei einer Unterbrechung von weniger als 4 Monaten gegeben ist, auf die Berechnung der Wartefrist von der Rspr. abgelehnt (BAG v. 10.5.1989 – 7 AZR 450/88, NZA 1990, 221). Die Vorschrift des § 1 Abs. 1 S. 3 BeschFG verfolgte einen Zweck, der von denj...