Dr. iur. Berthold Hilderink, Prof. Dr. Martin Becker
Rz. 643
Auftrags- und Umsatzsrückgänge können eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen, wenn der Arbeitsanfall dadurch so weit vermindert wird, dass für einen oder mehrere Arbeitnehmer das Bedürfnis zur Weiterbeschäftigung entfällt (BAG v. 7.12.1978, AP Nr. 6 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung; BAG v. 15.6.1989, AP Nr. 45 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung; BAG v. 18.5.2006, AP Nr. 7 zu § 9 AÜG). Regelmäßig wird der Arbeitgeber auf negative Veränderungen des Marktumfeldes reagieren. Bei sinkendem Absatz hat er zwei Möglichkeiten: Er kann entweder in der Hoffnung auf eine Belebung der Nachfrage "auf Lager" produzieren, sodass kein Anlass für zahlenmäßige Verminderung der Belegschaft gegeben ist, oder seine Produktionszahlen drosseln, was zum Wegfall von Arbeitsplätzen und damit zur Freisetzung von Arbeitskräften führen kann (Berkowsky, § 7 Rn 19). I.d.R. wird der Arbeitgeber also vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung eine unternehmerische Entscheidung treffen, mit der er auf den Auftragsrückgang reagiert. Erst wenn aufgrund der Umsetzung dieser Unternehmerentscheidung Arbeitsplätze wegfallen, liegt ein betriebsbedingter Kündigungsgrund vor.
Rz. 644
Führt ein dauerhafter Auftragsrückgang unmittelbar zur Verringerung einer bestimmten Arbeitsmenge, so kann der Arbeitgeber die Kündigung eines Arbeitnehmers auch unmittelbar darauf stützen, durch den Auftragsrückgang sei ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Entlassung eines Arbeitnehmers oder mehrerer Arbeitnehmer entstanden. Allerdings schlägt eine verminderte Auftragsmenge nur in seltenen Fällen direkt auf das Beschäftigungsvolumen durch, nämlich dann, wenn der Arbeitgeber seinen Betrieb so organisiert, dass er die Anzahl der benötigten Arbeitnehmer unmittelbar aus dem Umsatz errechnet. Dies ist lediglich dann der Fall, wenn eine sog. selbstbindende Unternehmerentscheidung vorliegt, sich das Beschäftigungsvolumen also proportional zur Auftragsmenge verhält (BAG v. 13.3.1987, AP Nr. 37 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung; BAG v. 15.6.1989, BB 1989, 2190 = DB 1989, 2384). In solchen Fällen ist die grds. erforderliche Unternehmerentscheidung also lediglich zeitlich vorverlegt und bereits bei der Festlegung der entsprechenden Betriebsorganisation getroffen worden. Der Arbeitgeber hat darzulegen, wie sich die von ihm behaupteten Umstände unmittelbar oder mittelbar auf den Arbeitsplatz des gekündigten Arbeitnehmers auswirken (BAG v. 11.9.1986, EZA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 54; BAG v. 15.6.1989, BB 1989, 2190).
Rz. 645
Bei Kündigungsausspruch muss voraussehbar sein, dass spätestens zum Zeitpunkt des Kündigungstermins eine Beschäftigungsmöglichkeit für den oder die gekündigten Arbeitnehmer nicht mehr vorhanden sein wird (BAG v. 13.11.1998, RzK I 5c).