Dr. iur. Berthold Hilderink, Prof. Dr. Martin Becker
Rz. 351
Die Abmahnung erfüllt im Wesentlichen drei Zwecke. Sie soll zunächst das beanstandete Verhalten tatbestandsmäßig festhalten (Dokumentationsfunktion). Zudem hat sie eine Rügefunktion, da sie den Arbeitnehmer darauf hinweisen soll, dass der Arbeitgeber ein bestimmtes Verhalten als vertragswidrig einstuft. Schließlich kommt ihr eine Warnfunktion zu, indem sie dem Arbeitnehmer deutlich machen soll, dass im Wiederholungsfall eine Gefährdung des Arbeitsverhältnisses droht (BAG v. 15.1.1986, NZA 1986, 421; BAG v. 16.9.2004, NZA 2005, 459; v. Hoyningen-Huene/Linck, § 1 KSchG Rn 481; teilweise weiter gehend BAG v. 10.11.1988, AP Nr. 3 zu § 1 KSchG Abmahnung: Arbeitnehmer soll bestraft werden; sowie BAG v. 13.11.1991, AP Nr. 7 zu § 611 BGB Abmahnung: andere Arbeitnehmer sollen abgeschreckt werden).
Rz. 352
Die Abmahnung erfüllt ihre Funktion als Voraussetzung für eine verhaltensbedingte Kündigung namentlich also nur dann, wenn der Arbeitgeber mit ihr ein konkret pflichtwidriges Verhalten rügt. Er muss deutlich machen, dass er ein bestimmtes Verhalten nicht als vertragsgemäß hinnimmt, sondern als Verletzung des Arbeitsvertrages ansieht. Schlagwortartige Hinweise und Wertungen wie bspw. "fehlende Bereitschaft zur Zusammenarbeit", "Unzuverlässigkeit", "der Umgang mit Kunden" oder "die Arbeitsleistungen lassen erneut zu wünschen übrig", "ungebührliches Verhalten", "mangelndes Interesse", "Führungsschwäche" oder dergleichen genügen nicht. Die Konkretisierungspflicht und die Dokumentationsfunktion der Abmahnung erfordern es, exakt darzulegen, welche konkreten Leistungsmängel oder Pflichtwidrigkeiten und welches Verhalten im Einzelfall gerügt werden und welcher konkrete Lebenssachverhalt die Grundlage der Rüge ist.
Rz. 353
Die Warnfunktion der Abmahnung wird erfüllt, wenn der Arbeitgeber für den Wiederholungsfall Konsequenzen androht, d.h. dem Arbeitnehmer vor Augen führt, dass er bei erneuter Pflichtwidrigkeit mit Maßnahmen rechnen muss, die sich abgestuft nach der Schwere und der Bedeutung der Pflichtverletzung z.B. als
▪ |
eine Versetzung, |
▪ |
eine Änderung des Arbeitsvertrages, |
▪ |
den Widerruf einer Leistungszulage oder Kürzung von freiwilligen Vergütungsbestandteilen oder |
▪ |
eine fristgemäße oder fristlose Kündigung |
darstellen können.