Dr. iur. Berthold Hilderink, Prof. Dr. Martin Becker
Rz. 650
Eine Betriebseinschränkung liegt vor, wenn der Betrieb mit verminderter Leistung arbeitet und dadurch Beschäftigungsmöglichkeiten entfallen. Hauptanwendungsfall ist die Stilllegung von Betriebsteilen (vgl. BAG v. 19.12.1991, RzK I 5c) Nr. 41; BAG v. 4.12.1997, NZA 1998, 701; BAG v. 28.10.2004, NZA 2005, 285). Ferner liegt eine Betriebseinschränkung vor, wenn die verminderte Leistung daraus resultiert, dass bspw. von einem Drei-Schicht-Betrieb auf einen Zwei-Schicht-Betrieb umgestellt wird oder dass einzelne Maschinen stillgelegt werden (APS/Kiel, § 1 KSchG Rn 498). Um eine Betriebseinschränkung handelt es sich aber auch dann, wenn der Arbeitgeber sich entschließt, bestimmte Tätigkeiten künftig von Fremdfirmen erledigen zu lassen. In derartigen Fällen können die Voraussetzungen für einen Betriebsübergang gem. § 613a BGB gegeben sein.
Rz. 651
Die Unternehmerentscheidung, einen Betrieb einzuschränken, unterliegt nur einer eingeschränkten Rechtskontrolle. Die ArbGe prüfen lediglich, ob die Entscheidung offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG v. 5.10.1995 – 2 AZR 269/95, NZA 1996, 524; BAG v. 26.9.2002, NZA 2003, 549). Voll nachprüfbar ist dagegen, ob ein kausaler Zusammenhang zwischen den inner- oder außerbetrieblichen Gründen und einem Arbeitskräfteüberhang besteht (BAG v. 27.9.1984 – 2 AZR 62/83, NJW 1985, 1797 = NZA 1985, 455; BAG v. 13.3.1987, NZA 1987, 629).
Rz. 652
Liegt kein Rechtsmissbrauch vor, ist lediglich zu prüfen, ob die verlagerten Beschäftigungsmöglichkeiten nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vorrangig den Arbeitnehmern aus der stillgelegten Betriebsabteilung übertragen werden müssen (APS/Kiel, § 1 KSchG Rn 500). Bei entsprechender Qualifikation sind die neuen Beschäftigungsmöglichkeiten ausnahmsweise selbst dann zu berücksichtigen, wenn es sich dabei um eine funktionsersetzende Beförderungsstelle handelt (BAG v. 10.11.1994 – 2 AZR 242/94, NZA 1995, 566; BAG v. 5.10.1995, NZA 1996, 524).
Rz. 653
Das BAG hat hierzu ausgeführt, dass es einen Unterschied mache, ob die bisherige Beschäftigungsmöglichkeit (vollständig) weggefallen sei und es um die Beschäftigung des Arbeitnehmers mit anderen Arbeiten gehe oder ob die bisherige Beschäftigungsmöglichkeit nicht (vollständig) wegfalle, der Arbeitgeber den Arbeitsablauf also lediglich umgestalte. Im ersten Fall sei der Arbeitnehmer auf seinen Bestandsschutz zu verweisen, ein Beförderungsanspruch sei durch das KSchG ausgeschlossen. Die unternehmerische Freiheit des Arbeitsgebers, den (höherwertigen) Arbeitsplatz nach seinen Wünschen zu besetzen, würde beeinträchtigt gäbe, man dem Arbeitnehmer einen Beförderungsanspruch (BAG v. 10.11.1994 – 2 AZR 242/94, NZA 1995, 566, 568). Im zweiten Fall jedoch habe der Arbeitgeber seine Einstellungsentscheidung bereits getroffen und der Ultima-Ratio-Grundsatz des KSchG gebiete ihm, soweit möglich den Arbeitsplatzinhaber weiterzubeschäftigen. Anderenfalls hätte es der Arbeitgeber in der Hand, einem missliebigen Arbeitnehmer mit der Begründung zu kündigen, auf eine Beförderung auf seinen inzwischen aufgewerteten Arbeitsplatz habe er keinen Anspruch (BAG v. 10.11.1994 – 2 AZR 242/94, NZA 1995, 566, 568). Allerdings hat das BAG in diesem Zusammenhang gleichwohl ausgeführt, dass es grds. der freien unternehmerischen Entscheidung unterliege, das Anforderungsprofil für einen eingerichteten Arbeitsplatz festzulegen (BAG v. 10.11.1994 – 2 AZR 242/94, NZA 1995, 566, 568). Der Arbeitnehmer muss in solchen Fällen also dazu in der Lage sein, auf Basis seiner Fähigkeiten und seiner Vorbildung, die Aufgaben des (aufgewerteten) Arbeitsplatzes erledigen zu können.
Rz. 654
Keine Betriebseinschränkung liegt hingegen vor, wenn der Arbeitgeber auf bestimmten Arbeitsplätzen den Arbeitsablauf umgestaltet und die bisher auf diesen Arbeitsplätzen geleistete Arbeit von einer anderen Abteilung erledigen lässt. Bleiben die Arbeitsaufgaben im Wesentlichen gleich und sind die bisherigen Arbeitsplatzinhaber nach wie vor persönlich und fachlich geeignet, diese Arbeiten zu erledigen, besteht ebenfalls kein dringendes betriebliches Erfordernis zur Kündigung (KR/Griebeling, § 1 Rn 572).