Rz. 897

Die in § 18 Abs. 1 und 2 KSchG auf die Entlassungssperre bezogenen Entscheidungen der Agentur für Arbeit trifft nach § 20 Abs. 1 KSchG deren Geschäftsführung, wenn es um weniger als 50 Entlassungen geht, anderenfalls ein Ausschuss, der sich aus dem Geschäftsführer, der Geschäftsführerin oder dem oder der Vorsitzenden der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit oder einem von ihm oder ihr beauftragten Angehörigen der Agentur für Arbeit als Vorsitzenden und je zwei Vertretern der Arbeitnehmer, der Arbeitgeber und der öffentlichen Körperschaften zusammensetzt, die von dem Verwaltungsausschuss der Agentur für Arbeit benannt werden.

 

Rz. 898

Der Ausschuss trifft seine Entscheidungen mit Stimmenmehrheit. Vor der Entscheidung hat der Ausschuss bzw. die Geschäftsführung den Arbeitgeber und den Betriebsrat anzuhören, die auf Verlangen des Ausschusses bzw. der Geschäftsführung die für die Beurteilung des Falles für erforderlich gehaltenen Auskünfte zu erteilen haben, § 20 Abs. 3 KSchG.

 

Rz. 899

Für die Entscheidungsfindung des Ausschusses oder der Geschäftsführung hat nach den – sehr allgemein gehaltenen – gesetzlichen Vorgaben des § 20 Abs. 4 KSchG sowohl das Interesse des Arbeitgebers als auch das der zu entlassenden Arbeitnehmer, das öffentliche Interesse und die Lage des gesamten Arbeitsmarktes unter besonderer Beachtung des Wirtschaftszweiges, dem der Betrieb angehört, Berücksichtigung zu finden.

 

Rz. 900

Eine Übertragung der nach § 18 Abs. 1 und 2 KSchG zu treffenden Sperrzeitentscheidungen auf einen bei der Zentrale der BA zu bildenden Ausschuss findet nach § 21 KSchG zwingend statt, wenn es um Massenentlassungen von mehr als 500 Arbeitnehmern in Betrieben geht, die zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr oder des Bundesministers für Post und Telekommunikation gehören. In den Ausschuss, der nach denselben Vorgaben gebildet wird, verfährt und entscheidet, wie sie für den bei der Agentur für Arbeit eingerichteten Ausschuss maßgebend sind, kann der zuständige Bundesminister zwei Vertreter mit beratender Stimme entsenden. Zu beachten ist, dass die nach § 17 KSchG bei Massenentlassungen erforderlichen Anzeigen in diesem Fall an die Zentrale der BA zu erstatten sind.

 

Rz. 901

Die Sperrfristentscheidungen nach § 18 Abs. 1 und 2 KSchG, die je nach Zuständigkeit die Agentur für Arbeit oder, wenn die besonderen Voraussetzungen vorliegen, der bei der BA gebildete Ausschuss trifft, sind zu begründende und mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehende Verwaltungsakte. Bleibt der Widerspruch des Arbeitgebers gegen eine ihn belastende Entscheidung erfolglos, ist die Klage vor dem SG zulässig, § 51 SGG. Die Arbeitnehmer haben gegen Entscheidungen der Arbeitsverwaltung kein eigenständiges Klagerecht. Sie können allerdings im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses die Einhaltung der Vorschriften der §§ 17 ff. KSchG und damit auch etwa ergangener Entscheidungen der Arbeitsverwaltung nach § 18 Abs. 1 und 2 KSchG zur gerichtlichen Überprüfung stellen.

 

Rz. 902

Teilt die Agentur für Arbeit dem Arbeitgeber mit, die von ihm angezeigten Entlassungen seien gar keine anzeigepflichtigen Massenentlassungen nach § 17 Abs. 1 KSchG, so hat dieses sog. Negativattest aus Gründen des Vertrauensschutzes die Wirkung einer zustimmenden Entscheidung zu den Entlassungen, falls die Agentur aufgrund einer falschen Einschätzung der Sach- und bzw. oder der Rechtslage zu der dem Arbeitgeber mitgeteilten Auffassung gelangt ist, Massenentlassungen i.S.d. § 17 Abs. 1 KSchG lägen nicht vor.

 

Rz. 903

 

Hinweis

Nicht zuletzt wegen dieser Rechtswirkung eines Negativattestes erscheint es sinnvoll, bei nicht zweifelsfreien Sachverhalten vorsorglich Entlassungen nach § 17 Abs. 1 KSchG anzuzeigen. Fragt der Arbeitgeber unter Darlegung des Sachverhalts lediglich bei der Agentur für Arbeit an, ob die geplanten Entlassungen anzeigepflichtig sind, hat eine unrichtige, die Anzeigepflicht verneinende Auskunft der Agentur für Arbeit nicht die günstige Bindungswirkung eines Negativattestes (BAG v. 6.12.1973, DB 1974, 119 = BB 1974, 603).

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