Dr. iur. Berthold Hilderink, Prof. Dr. Martin Becker
Rz. 1219
Das Zustimmungserfordernis nach § 103 BetrVG besteht in allen Fällen der Kündigung aus wichtigem Grund. Hat der Arbeitgeber vor Eintritt des Sonderkündigungsschutzes eines Wahlbewerbers eine – sozial nicht gerechtfertigte – ordentliche Kündigung erklärt und hierauf bezogen einen Auflösungsantrag gestellt, kommt eine entsprechende Anwendung von § 15 Abs. 3 S. 1 KSchG, § 103 BetrVG im Rahmen des Auflösungsbegehrens nicht in Betracht, wenn der Sonderkündigungsschutz im Zeitpunkt der Entscheidung über den Auflösungsantrag bereits wieder geendet hat. Der von § 15 Abs. 3 KSchG bezweckte Schutz der Unabhängigkeit des Wahlbewerbers verlangt in einem solchen Fall nicht danach, während der Zeit des Sonderkündigungsschutzes entstandene Sachverhalte entweder gar nicht oder nur dann als Auflösungsgrund zu berücksichtigen, wenn sie geeignet wären, einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB abzugeben (BAG v. 29.8. 2013 – 2 AZR 419/12, NZA 2014, 660).
Rz. 1220
Die ordentliche Kündigung ggü. den Mitgliedern des Wahlvorstandes und den Wahlbewerbern ist grds. unzulässig (§ 15 Abs. 3 S. 1 KSchG).
Rz. 1221
Eine Ausnahme besteht insoweit nur unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 4 und 5 KSchG bei Stilllegung des Betriebes oder Stilllegung einer Betriebsabteilung, in der der geschützte Arbeitnehmer beschäftigt ist. Diese Kündigung bedarf keiner Zustimmung nach § 103 BetrVG, sondern nur der Anhörung des Betriebsrates nach § 102 BetrVG.
Rz. 1222
Endet das Arbeitsverhältnis aus einem anderen Grund (z.B. Befristung, Aufhebungsvertrag, Kündigung des Arbeitnehmers), ist § 103 BetrVG ebenfalls nicht anwendbar.
Rz. 1223
Der nachwirkende Kündigungsschutz, wonach eine Kündigung nur aus wichtigem Grund zulässig ist, gilt gem. § 15 Abs. 3 S. 2 KSchG auch für die Mitglieder des Wahlvorstandes und die Wahlbewerber innerhalb von sechs Monaten nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Dies gilt nicht für Mitglieder des Wahlvorstandes, die nach § 18 Abs. 1 S. 2 BetrVG aufgrund gerichtlicher Entscheidung durch einen anderen Wahlvorstand ersetzt wurden. Auf der anderen Seite gilt die Nachwirkung des § 15 Abs. 3 KSchG für Mitglieder des Wahlvorstandes, die vor der Wahl ihr Amt niedergelegt haben (BAG v. 9.10.1986 – 2 AZR 650/85, DB 1987, 792). Außerdem bleibt der nachwirkende Kündigungsschutz den Wahlvorstandsmitgliedern auch dann erhalten, wenn die eigentliche Wahl nichtig war, sofern die Bestellung zu Mitgliedern des Wahlvorstandes als solche ordnungsgemäß erfolgt ist.
Rz. 1224
Während der Dauer des nachwirkenden Kündigungsschutzes findet § 103 BetrVG keine Anwendung. Eine außerordentliche Kündigung bedarf in diesem Zeitraum keiner Zustimmung des Betriebsrates, der Betriebsrat ist aber gem. § 102 BetrVG vor Ausspruch der Kündigung anzuhören.
Rz. 1225
Nach Beendigung des nachwirkenden Kündigungsschutzes kann der Arbeitgeber dem erfolglosen Wahlbewerber wieder wie jedem anderen Arbeitnehmer kündigen. Er ist insb. nicht gehindert, die Kündigung auf Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers zu stützen, die dieser während der Schutzfrist begangen hat und die erkennbar nicht im Zusammenhang mit der Wahlbewerbung stehen (BAG v. 13.6.1996 – 2 AZR 431/95, DB 1996, 1832).
Rz. 1226
Ansonsten gelten für die ordentliche wie für die außerordentliche Kündigung von Wahlvorstandsmitgliedern und Wahlbewerbern die gleichen Grundsätze wie für Betriebsratsmitglieder.