Dr. iur. Berthold Hilderink, Prof. Dr. Martin Becker
Rz. 452
Steht dem Arbeitnehmer bzgl. der von ihm zu erbringenden Arbeitsleistung ein Zurückbehaltungs- oder Leistungsverweigerungsrecht zu, begeht er keine Arbeitsverweigerung (BAG v. 1.5.1992, DB 1992, 2446 = NZA 1993, 115). Der Arbeitnehmer kann berechtigterweise ein Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitskraft wegen nicht erfüllter Vergütungsansprüche geltend machen. Es muss sich dabei um erhebliche Vergütungsrückstände handeln und der Arbeitnehmer darf nicht jede geringfügig verspätete Lohnzahlung zum Anlass nehmen, seine Arbeitskraft zurückzuhalten (BAG v. 9.5.1996 – 2 AZR 387/95, BB 1996, 2337 = NZA 1996, 1085 = NJW 1997, 274 und BAG v. 25.10.1984, DB 1985, 763 = BB 1985, 2176). Von einer zulässigen Arbeitsverweigerung ist z.B. auszugehen, wenn der Arbeitgeber mit drei Monatsvergütungen in Rückstand geraten ist.
Rz. 453
Ein gekündigter Arbeitnehmer ist während des Kündigungsschutzprozesses nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht verpflichtet, einer Arbeitsaufforderung seines Arbeitgebers Folge zu leisten, solange der Arbeitgeber die Kündigung nicht zurücknimmt, solange ein der Kündigungsschutzklage stattgebendes Urteil n.rk. geworden ist oder der Arbeitgeber nicht unmissverständlich klarstellt, das Urteil gegen sich gelten zu lassen (BAG v. 9.5.1996, EzA § 626 BGB Nr. 161; LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 23.11.2000, LAGE § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 43). Ist der Arbeitnehmer während des Kündigungsschutzprozesses ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen, besteht nach teilweiser Literaturansicht innerhalb der einwöchigen Frist von § 12 S. 1 KSchG und ggf. bis zum Ablauf der für die Kündigung des neuen Arbeitsverhältnisses erforderlichen Frist keine Arbeitspflicht (KR/Griebeling, § 1 KSchG Rn 435; KR/Rost, § 12 KSchG Rn 17–19).
Rz. 454
Geht der Arbeitnehmer irrtümlich davon aus, dass Voraussetzungen vorliegen, unter denen er die Arbeit verweigern kann, handelt er nicht schuldhaft, wenn sein Tatsachenirrtum nicht auf Fahrlässigkeit beruht. Beruft der Arbeitnehmer sich hingegen zur Entschuldigung seines Vertragsverstoßes auf einen Rechtsirrtum, muss er die tatsächlichen Umstände, aus denen er seinen Entschuldigungsgrund herleitet, darlegen. Er muss infolgedessen vortragen, wie und bei wem er sich nach der Rechtslage erkundigt und welche Auskünfte er erhalten hat (LAG Düsseldorf v. 29.8.2001, AnwBl. 2002, 607; ausführlich Kliemt/Vollstädt, NZA 2003, 357). Befindet sich der Arbeitnehmer in einem Rechtsirrtum, handelt er auf eigene Gefahr, wenn er die Arbeit nicht aufnimmt, obwohl ihm sein Arbeitgeber über seinen Irrtum aufgeklärt hat (BAG v. 29.11.1983, AP Nr. 78 zu § 626 BGB).