Dr. iur. Berthold Hilderink, Prof. Dr. Martin Becker
Rz. 621
Eine Kündigung ist gem. § 1 Abs. 2 S. 3, 2. Alt. KSchG unwirksam, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf einem anderen Arbeitsplatz zu geänderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen kann und der Arbeitnehmer sich damit einverstanden erklärt, sog. Vorrang der Änderungskündigung (BAG v. 27.9.1984, AP Nr. 8 zu § 2 KSchG; BAG v. 21.4.2005, NZA 2005, 1289; BAG v. 21.4.2005, NZA 2005, 1294; BAG v. 2.2.2006, AP Nr. 142 zu § 1 KSchG; allgemein zur Änderungskündigung vgl. § 25 Rdn 1 ff.). Nach diesem Grundsatz muss der Arbeitgeber vor einer Beendigungskündigung dem Arbeitnehmer zunächst eine beiden Parteien zumutbare Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz zu geänderten Vertragsbedingungen anbieten. Versäumt der Arbeitgeber dies, ist eine Beendigungskündigung grds. sozialwidrig, selbst wenn der ursprünglich freie Arbeitsplatz mittlerweile besetzt wurde.
Rz. 622
Ein Änderungsangebot ist nur in Extremfällen, bspw. im Fall einer völlig unterwertigen Beschäftigung, nicht erforderlich (BAG v. 21.4.2005 – 2 AZR 132/04, NZA 2005, 1289). Der Arbeitgeber kann – seit Änderung der Rspr. im Jahr 2005 – die Änderungskündigung aussprechen, ohne vorher mit dem Arbeitnehmer über eine einvernehmliche Änderung der Vertragsbedingungen verhandelt zu haben (BAG v. 21.4.2005 – 2 AZR 132/04, NZA 2005, 1289). Der Arbeitgeber muss sein Änderungsangebot spätestens mit der Kündigungserklärung abgeben. Der Arbeitnehmer kann sich dann innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG entscheiden, ob er das Angebot ablehnen oder ob er es endgültig oder unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung annehmen will.
Rz. 623
Auch wenn der Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, mit dem Arbeitnehmer zu verhandeln, kann sich dies je nach den Umständen des Einzelfalles dennoch empfehlen. Vereinbaren die Parteien einvernehmlich einen Änderungsvertrag, bedarf es keiner Änderungskündigung mehr. Nimmt der Arbeitnehmer das Änderungsangebot nicht an, kommt nach §§ 145 ff. BGB kein Änderungsvertrag zwischen den Parteien zustande, sodass der Arbeitgeber eine Änderungskündigung aussprechen muss (BAG v. 21.4.2005 – 2 AZR 132/04, NZA 2005, 1289).