Dr. iur. Berthold Hilderink, Prof. Dr. Martin Becker
Rz. 1137
Der besondere Kündigungsschutz bezieht sich gem. § 168 SGB IX und § 174 SGB IX auf die ordentliche und die außerordentliche Kündigung. Der besondere Kündigungsschutz bezieht sich auch auf die Änderungskündigung gem. § 2 KSchG. Auch die Kündigung in der Insolvenz ist nur unter den Voraussetzungen des SGB IX möglich. Sie sind erst bei erteilter Zustimmung durch das Integrationsamt möglich. Auch der Antrag des Arbeitgebers nach § 9 Abs. 1 S. 3 KSchG, das Arbeitsverhältnis aufzulösen, bedarf zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung der Hauptfürsorgestelle, jetzt Integrationsamt (OVG Niedersachsen v. 12.7.1989 – 4 L 21/89, NZA 1990, 66).
Rz. 1138
Das SGB IX knüpft den besonderen Bestandsschutz ausschließlich an den Beendigungstatbestand der Kündigung. Andere Beendigungstatbestände sind daher unter den allgemeinen Voraussetzungen möglich:
Der Aufhebungsvertrag zwischen dem schwerbehinderten Menschen und dem Arbeitgeber ist ohne die Zustimmung des Integrationsamtes möglich. Nach Ausspruch der Kündigung ist ein Verzicht auf den besonderen Kündigungsschutz möglich und zulässig. Ein solcher Verzicht kann auch in einer Ausgleichsquittung erklärt werden, wenn ihr Inhalt insoweit eindeutig ist.
Der befristete Arbeitsvertrag ist unter den allgemeinen gesetzlichen Voraussetzungen sowie unter Beachtung der von der Rspr. aufgestellten Grundsätze zulässig und bedarf deshalb nicht der Zustimmung des Integrationsamtes. Auch die Beendigung eines solchen befristeten Arbeitsvertrages bedarf nicht der Zustimmung des Integrationsamtes. Wird eine Befristung des Arbeitsverhältnisses unter Beachtung der Erfordernisse des TzBfG vorgenommen oder liegt ein sachlicher Grund für die Befristung vor, endet das Arbeitsverhältnis ohne Kündigung zum vereinbarten Zeitpunkt auch dann, wenn die Schwerbehinderung während des Arbeitsverhältnisses eintritt. Eine Zustimmung zur Beendigung des befristeten Arbeitsvertrages kommt außerhalb der Ausnahmevorschrift des § 92 SGB IX nicht in Betracht. Wird ein befristetes Arbeitsverhältnis mit Wissen des Arbeitgebers über den vereinbarten Beendigungszeitraum fortgesetzt, tritt die Rechtsfolge des § 625 BGB mit der weiteren Folge ein, dass für dieses Arbeitsverhältnis dann der besondere Kündigungsschutz gem. §§ 168 ff. SGB IX eingreift.
Für die Anfechtung des Arbeitsvertrages ist die Zustimmung des Integrationsamtes nicht erforderlich.
Für die Ausübung des arbeitsvertraglich vorbehaltenen Direktionsrechtes gelten die allgemeinen Rechtsgrundsätze. Daraus wird zugleich der Grundsatz gefolgert, dass der schwerbehinderte Mensch nicht im Voraus jeder beliebigen Vertragsänderung zustimmen könne (BAG v. 7.10.1982 – 2 AZR 455/80, NJW 1983, 2284). Trotz einer solchen Vereinbarung unterliegt diese einer richterlichen Billigkeitskontrolle, die aus den §§ 315 ff. BGB gefolgert wird. Dies ergibt sich zudem aus § 84 Abs. 2 SGB IX, der einen besonderen Beschäftigungsanspruch gewährt. Dies gilt insb. auch für die Einführung von Kurzarbeit, die immer einer besonderen Rechtsgrundlage wie Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung, Arbeitsvertrag bedarf. Einer Zustimmung des Integrationsamtes bedarf es hierzu nicht.