Dr. iur. Berthold Hilderink, Prof. Dr. Martin Becker
Rz. 271
Ein personenbedingter Kündigungsgrund wegen Minderleistung liegt vor, wenn die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers die berechtigte Leistungserwartung des Arbeitgebers in einem Maß unterschreitet, dass es ihm unzumutbar wird, an dem Arbeitsvertrag festzuhalten und künftig nicht damit gerechnet werden kann, dass das Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung wiederhergestellt wird (BAG v. 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, AP Nr. 49 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung m. Anm. Mauer; vgl. auch Tschöpe, BB 2006, 213). Bevor der Arbeitgeber die Kündigung ausspricht, muss er prüfen, ob er das vertragliche Gleichgewicht wiederherstellen kann, indem er den Arbeitnehmer zu geänderten Arbeitsvertragsbedingungen beschäftigt. I.R.d. Interessenabwägung ist insb. die Schutzbedürftigkeit älterer und langjährig beschäftigter Arbeitnehmer zu beachten (BAG v. 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, EzA § 1 Rn 62 Verhaltensbedingte Kündigung). Zugunsten des Arbeitnehmers fällt zudem erheblich ins Gewicht, wenn seine Leistungsminderung auf einer unverschuldeten Erkrankung beruht, namentlich wenn diese betrieblich veranlasst ist (BAG v. 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, EzA § 1 Rn 62 Verhaltensbedingte Kündigung). Maßgeblich ist schließlich, in welchem Maß die Minderleistungen des Arbeitnehmers unter dem Durchschnitt liegen. Einem Arbeitgeber ist es nicht zuzumuten, einen über längere Zeit völlig erfolglosen Verkaufsmitarbeiter weiter zu beschäftigen (BAG v. 3.6.2004 – 2 AZR 386/03, EzA § 23 KSchG Rn 27). Ferner hat das BAG eine unzumutbare Minderleistung in einem Fall angenommen, in dem eine schwerbehinderte Arbeitnehmerin die Normalleistung dauerhaft um ein Drittel unterschritten hatte (BAG v. 26.9.1991 – 2 AZR 132/91, AP Nr. 28 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit).
Rz. 272
Welche Leistung der einzelne Arbeitnehmer schuldet, folgt in erster Linie aus den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen. Sie werden durch die Ausübung des Weisungsrechtes des Arbeitgebers und das Leistungsvermögen des Arbeitnehmers konkretisiert. Das BAG geht dabei von einem subjektiven Leistungsbegriff aus. Der Arbeitnehmer muss tun, was er soll, und zwar so gut, wie er kann (BAG v. 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, EzA § 1 Rn 62 Verhaltensbedingte Kündigung; a.A. "objektive Normalleistung": v. Hoyningen-Huene/Linck, § 1 KSchG Rn 424 f.). Allerdings lässt es das BAG gleichzeitig genügen, dass der Arbeitgeber die Störung des Gleichgewichtes von Leistung und Gegenleistung mit erheblich unterdurchschnittlichen Leistungen des Arbeitnehmers begründet (BAG v. 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung). Somit verobjektiviert auch das BAG die Leistungsanforderungen (so zu Recht v. Hoyningen-Huene/Linck, § 1 KSchG Rn 426).