Dr. iur. Berthold Hilderink, Prof. Dr. Martin Becker
1. Klageantrag
Rz. 1296
Der Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses oder Wiedereinstellung kann durch Klage auf Abgabe einer Willenserklärung gem. § 894 ZPO geltend gemacht werden (BAG v. 17.3.2015 – 9 AZR 702/13, NZA 2016, 124; APS/Kiel, § 1 KSchG Rn 757; näher Haidn, Die Zwangsvollstreckung im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren, 2022, S. 151 ff.). Im Kündigungsschutzprozess kommt eine Eventualklagehäufung in Betracht (Krieger/Willemsen, NZA 2011, 1128, 1133). Bei einem vollzogenen Betriebsübergang ist die Klage gegen den neuen Betriebsinhaber zu richten, da dieser für den Anspruch auf Wiedereinstellung entsprechend § 613a Abs. 1 S. 1 BGB passiv legitimiert ist (BAG v. 25.9.2008 – 8 AZR 607/07, NZA-RR 2009, 469). Der neue Inhaber ist auf Abschluss eines Arbeitsvertrags zu unveränderten Arbeitsbedingungen unter Anrechnung der früheren Beschäftigungsdauer zu verklagen (zur Titulierung Haidn, Die Zwangsvollstreckung im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren, 2022, S. 154 f.).
Rz. 1297
Muster 30.1: Klageantrag auf Wiedereinstellung
Muster 30.1: Klageantrag auf Wiedereinstellung
_________________________ die Beklagte zu verurteilen, das Angebot des Klägers auf Abschluss eines (Fortsetzungs-) Vertrages zu den bisherigen Arbeitsbedingungen aus dem Arbeitsvertrag vom _________________________ mit der Fa. _________________________ als _________________________ unter Anrechnung der bisherigen Beschäftigungsdauer seit dem _________________________ anzunehmen.
Rz. 1298
Es handelt sich um einen Leistungsantrag, der auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet ist, welche gem. § 894 ZPO mit dem Eintritt der Rechtskraft eines dem Klageantrag stattgebenden Urteils als abgegeben gilt (BAG v. 6.8.1997 – 7 AZR 557/96, NZA 1998, 254; s.a. BAG v. 25.10.2007 – 8 AZR 989/06, NZA 2008, 359 f.). Der Antrag ist hinreichend bestimmt i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn er auf den Abschluss eines Arbeitsvertrages mit einem ganz bestimmten Inhalt gerichtet ist.
Rz. 1299
Der Klageantrag kann auch umgekehrt darauf gerichtet sein, die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein Fortsetzungsangebot zu unterbreiten, welches dieser dann annehmen müsste.
Rz. 1300
Muster 30.2: Klageantrag mit Fortsetzungsangebot
Muster 30.2: Klageantrag mit Fortsetzungsangebot
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger den Abschluss eines Arbeitsvertrages gem. den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom _________________________ unter Anrechnung der bisher erworbenen Dauer der Betriebszugehörigkeit anzubieten.
Rz. 1301
Schwierigkeiten bereitete früher die Einbeziehung des Zeitablaufes. Nach Auffassung des BAG konnte der Arbeitgeber wegen § 306 BGB a.F. nicht dazu verurteilt werden, für die Vergangenheit ein Arbeitsverhältnis einzugehen (BAG v. 28.6.2000 – 7 AZR 904/98, NZA 2000, 1097, unter I B der Gründe). Diese Rechtslage hat sich mit der Einführung des § 311a Abs. 1 BGB durch die Schuldrechtsreform geändert. Der rückwirkende Abschluss eines Vertrages ist in Abweichung zur früheren Rechtslage nicht mehr nichtig. Damit ist auch eine entsprechende Verurteilung möglich (BAG v. 27.4.2004 – 9AZR 522/03, NZA 2004, 1225; BAG v. 25.10.2007 – 8 AZR 989/06, NZA 2008, 357; BAG v. 27.1.2011 – 8 AZR 326/09, NZA 2011, 1162; Krieger/Willemsen, NZA 2011, 1128, 1133, Oberhofer, RdA 2006, 97). Der auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtete Klageantrag kann zwar nur ex nunc mit Rechtskraft der Entscheidung durch gesetzliche Fiktion den Abschluss eines Arbeitsvertrags bewirken. Der Inhalt dieses Vertrages kann aber darauf gerichtet sein, den Arbeitnehmer hinsichtlich der Rechtsfolgen so zu stellen, als sei das Angebot des Arbeitnehmers rechtzeitig angenommen worden und habe der Vertrag schon in der Vergangenheit bestanden (Raab, RdA 2001, 249; a.A. Boewer, RdA 2001, 380, 402 f.). Der Antrag kann daher lauten:
Rz. 1302
Muster 30.3: Klageantrag auf Wiedereinstellung mit Rückwirkung
Muster 30.3: Klageantrag auf Wiedereinstellung mit Rückwirkung
_________________________ die Beklagte zu verurteilen, das Angebot des Klägers auf Abschluss eines Arbeitsvertrages zu den Bedingungen des früheren Arbeitsvertrages vom _________________________ und unter Anrechnung der früher bestandenen Betriebszugehörigkeit mit Wirkung vom _________________________ anzunehmen.
2. Vergütungsansprüche
Rz. 1303
Das BAG billigt dem Arbeitnehmer als Ersatz dafür, dass der Arbeitgeber das Angebot des Arbeitnehmers auf Wiedereinstellung nicht rechtzeitig angenommen hat, einen Schadensersatzanspruch zu (BAG v. 28.6.2000 – 7 AZR 904/98, NZA 2000, 1099). Eine Haftung des Arbeitgebers aus § 311a Abs. 2 BGB setzt allerdings voraus, dass der Arbeitgeber das Leistungshindernis bei Vertragsschluss kannte oder er seine Unkenntnis zu vertreten hat. Gerade bei einer Auftragsnachfolge mit teilweiser Übernahme des Personals des alten Auftragnehmers wird aber häufig unklar sein, ob ein Betriebsübergang vorliegt oder nicht. Der in Anspruch genommene Arbeitgeber kann sich also in diesem und auch anderen Fällen durchaus in einem entschuldbaren Rechtsirrtum befinden (vgl. ...