Rz. 69
Die §§ 16–19 RVG sollen bei der Abrechnung helfen, indem sie darstellen, welche Tätigkeiten gesondert abgerechnet werden können und welche nicht. Sie stellen somit eine Ergänzung zu § 15 Abs. 2 RVG dar, der regelt, dass in derselben Angelegenheit die Gebühren nur einmal gefordert werden können.
Rz. 70
§ 16 führt die Verfahren auf, die gebührenrechtlich als "dieselbe Angelegenheit" gelten. Es ist jedoch zu beachten, dass in derselben Angelegenheit mehrere Gegenstände addiert werden (§ 22 Abs. 1 RVG).
a) Dieselbe Angelegenheit
Rz. 71
Dieselbe Angelegenheit (und damit nicht gesondert, sondern nur einmal abrechenbar, § 15 Abs. 2 S. 1 RVG) sind z.B.:
▪ |
das Verwaltungsverfahren auf Aussetzung oder Anordnung der sofortigen Vollziehung sowie über einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte Dritter und jedes Verwaltungsverfahren auf Abänderung oder Aufhebung in den genannten Fällen (§ 16 Nr. 1 RVG); |
▪ |
das Verfahren über die Prozesskostenhilfe und das Verfahren, für das Prozesskostenhilfe beantragt worden ist (§ 16 Nr. 2 RVG); |
▪ |
mehrere Verfahren über die Prozesskostenhilfe in demselben Rechtszug (§ 16 Nr. 3 RVG); |
▪ |
eine Scheidungssache oder ein Verfahren über die Aufhebung einer Lebenspartnerschaft und die Folgesachen (§ 16 Nr. 4 RVG); |
▪ |
das Verfahren über einen Antrag auf Anordnung eines Arrests, einer einstweiligen Verfügung, auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, auf Aufhebung der Vollziehung oder Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts und jedes Verfahren auf deren Abänderung oder Aufhebung (§ 16 Nr. 5 RVG). |
b) Verschiedene Angelegenheiten
Rz. 72
In § 17 RVG – der das "Gegenstück" zu § 16 RVG bildet – sind die Fälle aufgeführt, bei denen es ohne diese Vorschrift vielleicht zweifelhaft wäre, ob sie eine oder verschiedene Angelegenheiten darstellen.
Rz. 73
"Verschiedene Angelegenheiten" bedeutet, dass § 15 Abs. 2 S. 1 RVG nicht gilt und diese Angelegenheiten gesondert abgerechnet werden können.
Rz. 74
Verschiedene Angelegenheiten nach § 17 RVG sind z.B.:
▪ |
das Verfahren über ein Rechtsmittel und der vorausgegangene Rechtszug (§ 17 Nr. 1 RVG); |
▪ |
das Mahnverfahren und das streitige Verfahren (§ 17 Nr. 2 RVG); |
▪ |
das vereinfachte Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger und das streitige Verfahren (§ 17 Nr. 3 RVG); |
▪ |
das Verfahren in der Hauptsache und ein Verfahren über einen Antrag auf a) Anordnung eines Arrests, b) Erlass einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung c) Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, auf Aufhebung der Vollziehung oder Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts sowie d) Abänderung oder Aufhebung einer in einem Verfahren nach den Buchstaben a bis c ergangenen Entscheidung (§ 17 Nr. 4 RVG): |
▪ |
das strafrechtliche Ermittlungsverfahren und ein sich nach dessen Einstellung anschließendes Bußgeldverfahren (§ 17 Nr. 10b RVG), aber auch |
▪ |
das strafrechtliche Ermittlungsverfahren und ein nachfolgendes gerichtliches Verfahren (§ 17 Nr. 10a RVG) sowie |
▪ |
das Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde und das nachfolgende gerichtliche Verfahren (§ 17 Nr. 11 RVG). |
Rz. 75
Sofern verschiedene Angelegenheiten i.S.d. § 17 RVG vorliegen, können für jede Angelegenheit die Gebühren und auch eine Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG (anstelle der einzeln berechneten Auslagen) abgerechnet werden.
Rz. 76
Es ist aber darauf zu achten, dass sich eine Anrechnungsvorschrift für eine Verfahrensgebühr aus dem Vergütungsverzeichnis ergeben kann (nicht zwingend muss). So existiert z.B. in der Anmerkung zu Nr. 3305 VV RVG eine Anrechnungsvorschrift für die Mahnverfahrensgebühr auf eine Verfahrensgebühr des streitigen Verfahrens. Bei der einstweiligen Verfügung und dem anschließenden Hauptsacheverfahren gibt es eine solche Anrechnungsvorschrift aber nicht. Anrechnungsvorschriften kann man also aus § 17 RVG nicht ablesen; diese ergeben sich immer aus dem Vergütungsverzeichnis.
c) Besondere Angelegenheiten
Rz. 77
§ 18 RVG listet die Tätigkeiten auf, die grundsätzlich selbstständige Angelegenheiten bilden sollen, gleichgültig, mit welchen anderen Tätigkeiten des Anwalts sie in Zusammenhang stehen. Dies unterscheidet § 18 von § 17 RVG, da in § 17 RVG die Tätigkeiten eines Anwalts, die als verschiedene Angelegenheiten aufgeführt sind, immer im Zusammenhang mit einer bestimmten anderen Tätigkeit stehen. Dies ist bei den in § 18 RVG genannten Tätigkeiten nicht der Fall. Besondere Angelegenheiten nach § 18 RVG sind z.B.:
▪ |
jede Vollstreckungsmaßnahme zusammen mit den durch diese vorbereiteten weiteren Vollstreckungshandlungen bis zur Befriedigung des Gläubigers; dies gilt entsprechend im Verwaltungszwangsverfahren (Verwaltungsvollstreckungsverfahren, § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG); |
▪ |
das Verfahren über Einwendungen gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel, auf das § 732 ZPO anzuwenden ist (§ 18 Abs. 1 Nr. 4 RVG); |
▪ |
das Verfahren auf Zulassung der Austauschpfändung nach § 811a ZPO (§ 18 Abs. 1 Nr. 7 RVG); |
▪ |
usw. |
d) Tätigkeiten, die zum Rechtszug gehören
Rz. 78
Zum Rechtszug oder dem Verfahren gehören auch alle Vor...