Rz. 852
Grundsätzlich sind der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer unterliegende Grundstückserwerbe nach § 3 Nr. 2 GrEStG steuerfrei. Dies gilt gemäß § 3 Nr. 2 S. 2 GrEStG jedoch nicht hinsichtlich des Werts solcher Auflagen, die bei der Schenkungsteuer abziehbar sind (vgl. oben Rdn 788 f.).
Beispiel
Vater V ist Eigentümer zweier Grundstücke. Diese sind jeweils mit einem Mehrfamilienhaus bebaut. Er schenkt die Grundstücke lebzeitig an seinen Sohn S und seinen Neffen N und macht Ihnen dabei folgende Auflagen:
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S und N sollen jeweils an V 100.000 EUR zahlen; |
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V behält sich einen Nießbrauch an jeweils einer Wohnung zu seinen Gunsten vor; |
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an je einer weiteren Wohnung soll ein Nießbrauch zugunsten der Lebensgefährtin von V, der L, bestellt werden. |
Lösung
Die Grundstücksschenkung an den Sohn S ist im Ergebnis unproblematisch. Denn neben der Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 3 GrEStG greift hier auch diejenige des § 3 Nr. 6 GrEStG ein. V und S sind in gerader Linie miteinander verwandt. Im Rahmen des § 3 Nr. 6 GrEStG bestehen keinerlei Einschränkungen bezüglich der angeordneten Auflagen bzw. vorbehaltener Rechte.
Im Falle des Neffen N ist aber § 3 Nr. 6 GrEStG nicht anwendbar. Ein Verwandtschaftsverhältnis in gerader Linie besteht hier gerade nicht. V und N sind lediglich in der Seitenlinie miteinander verwandt. Vor diesem Hintergrund kommt hier lediglich eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG in Betracht, sodass auch § 3 Nr. 2 S. 2 GrEStG zu beachten ist. Hierbei ist zunächst zwischen Leistungsauflagen (Rentenzahlungen, Gleichstellungsgeldern, Übernahme von Grundstücksbelastungen) und Nutzungs- sowie Duldungsauflagen (Nießbrauch, beschränkt persönliche Dienstbarkeit, insbesondere Wohnrecht) zu unterscheiden. Leistungsauflagen werden im Rahmen der Schenkungsbesteuerung wie Gegenleistungen behandelt, sie sind also von der schenkungsteuerrechtlichen Bereicherung abzuziehen. Dies hat zur Folge, dass die Grundstücksübertragung an N nicht von der Grunderwerbsteuer befreit ist, soweit der Wert vorbehaltener Leistungsauflagen reicht. Dies gilt vorliegend für die Auflage zur Zahlung in Höhe von 100.000 EUR an V.
Rz. 853
Bei dem angeordneten Vorbehaltsnießbrauch zugunsten des V selbst, handelt es sich um eine Duldungsauflage, die bei der Schenkungsteuer ebenfalls bereicherungsmindernd zu berücksichtigen ist. Auch der Zuwendungsnießbrauch zugunsten der L stellt eine Duldungsauflage dar. Deren Wert wird bei der Schenkungsteuer bereicherungsmindernd berücksichtigt, ist also abziehbar im Sinne von § 3 Nr. 2 S. 2 GrEStG.
Rz. 854
Im Rahmen der Ermittlung der grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage ist zunächst der Wert der Leistungsauflage (hier 100.000 EUR) in Ansatz zu bringen. Hinzu kommen die (nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes zu ermittelnden) Werte der beiden angeordneten Nießbrauchsrechte.