Rz. 31
Für die Beantwortung der Frage, ob eine persönliche Steuerpflicht vorliegt, kommt es entscheidend auf den Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9 ErbStG) an. Dies ist bei Erwerben von Todes wegen grundsätzlich der Zeitpunkt des Todes des Erblassers (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG), bei Schenkungen die Ausführung der Zuwendung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Von diesen Grundregeln gibt es jedoch Ausnahmen, die den Zeitpunkt der Steuerentstehung mitunter zeitlich nach hinten verschieben. Hierdurch kann im Einzelfall ein gewisser Gestaltungsspielraum eröffnet werden.
Rz. 32
Beispiel
Der ausländische Erblasser E hinterlässt einem im Inland lebenden entfernteren Verwandten ein Geldvermächtnis, das dieser erst bei seinem 25. Geburtstag ausgezahlt bekommen soll. Der Bedachte ist im Zeitpunkt des Todes des Erblassers 18 Jahre alt.
Lösung
Vorliegend steht das Vermächtnis unter einer aufschiebenden Bedingung/Befristung; die Erbschaftsteuer entsteht daher gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1a ErbStG erst mit Bedingungseintritt, konkret also voraussichtlich erst bei Auszahlung des vermachten Geldbetrages. Wenn der Neffe seinen Wohnsitz im Inland rechtzeitig aufgibt und im Inland auch keinen gewöhnlichen Aufenthalt unterhält, kann er die deutsche Erbschaftsteuerpflicht vermeiden, soweit zwischen der Aufgabe des Wohnsitzes und dem Zeitpunkt, zu dem die Bedingung eintritt und das Vermächtnis erfüllt wird, mindestens fünf Jahre liegen.
Rz. 33
Die erweiterte beschränkte Erbschaftsteuerpflicht kommt gemäß § 4 Abs. 2 AStG nicht zur Anwendung, wenn bzw. soweit der Nachweis erbracht werden kann, dass das erweiterte Inlandsvermögen im Ausland einer der deutschen Erbschaftsteuer entsprechenden Steuer unterliegt, die mindestens 30 % der deutschen Erbschaftsteuer auf diese Vermögensteile beträgt. Abzustellen ist dabei auch auf eine konkrete Vergleichsberechnung, bei der zunächst die insgesamt anfallende deutsche Erbschaftsteuer nach dem Verhältnis des Inlandsvermögens i.S.v. § 121 BewG zum erweiterten Inlandsvermögen i.S.v. § 4 Abs. 1 AStG aufzuteilen ist. Die im Ausland auf das erweiterte Inlandsvermögen erhobene ausländische Erbschaftsteuer ist sodann mit der (anteilig auf dieses Vermögen entfallenden) deutschen Erbschaftsteuer zu vergleichen. Die Grundsätze des § 14 ErbStG (Zusammenrechnung) sind ebenfalls anzuwenden.
Rz. 34
Eine Anwendung von § 4 Abs. 1 AStG kommt überdies nicht in Betracht, wenn die Anwendbarkeit durch DBA ausgeschlossen ist.
Rz. 35
Die Ableitung der Erbschaftsteuerpflicht aus den persönlichen Verhältnissen des Erben bzw. Vermächtnisnehmers wird bei Wegzugsüberlegungen leider oftmals vernachlässigt. Auf jeden Fall ist dabei zu bedenken, dass allein der Wegzug des Erblassers aus Deutschland eine spätere Erbschaftsteuerpflicht noch nicht vermeidet. Hierzu ist erforderlich, dass der Wegziehende auch die ins Auge gefassten Erwerber mit sich nimmt bzw. diese – ggf. in andere Länder – ebenfalls wegziehen. Weiterhin ist auch die Belegenheit des zu vererbenden Vermögens zu beachten, da insoweit u.U. die beschränkte Erbschaftsteuerpflicht eingreifen kann.