Rz. 759
§ 1 Abs. 2a GrEStG beschäftigt sich mit gesellschaftsrechtlichen Vorgängen, die – jedenfalls nach der Vorstellung des Gesetzgebers – mit der sachenrechtlichen Verfügung über Grundbesitz wirtschaftlich vergleichbar sind. Konkret geht es hier um Änderungen im Gesellschafterbestand einer inländischen Grundbesitz haltenden Personengesellschaft. Ein (Ersatz-) Erwerbstatbestand nach § 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG liegt demzufolge vor, wenn sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt ändert, dass mindestens 90 % der Anteile an Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen.
Rz. 760
Von der Vorschrift erfasst sind nicht nur inländische sondern auch ausländische Personengesellschaften, "deren rechtliche Struktur den inländischen Personengesellschaften entspricht". Kennzeichnend für den Tatbestand des § 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG ist der Wechsel im Gesellschafterbestand. Dieser richtet sich grundsätzlich nach den zivilrechtlichen Vorgaben. Gesellschafter im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne ist, wer zivilrechtlich am Gesellschaftsvermögen beteiligt ist. Eine Änderung im Gesellschafterbestand setzt daher prinzipiell einen zivilrechtlich wirksamen Übergang des Mitgliedschaftsrechts einschließlich der anteiligen sachenrechtlichen Mitbeteiligung am Gesellschaftsvermögen auf einen neuen (bislang nicht beteiligten) Gesellschafter voraus. Dies gilt auch dann, wenn der neu eintretende Gesellschafter seine Beteiligung treuhänderisch für den bisherigen Gesellschafter hält.
Rz. 761
Grunderwerbsteuerliche Relevanz erlangen Gesellschafterrechte bzw. der Beitritt neuer Gesellschafter aber nur unter der Voraussetzung, dass binnen eines Zeitraums von zehn Jahren wenigstens 90 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf einen oder mehrere neue Gesellschafter übergehen. Dies kann sich im Rahmen eines einzelnen Rechtsvorgangs ereignen; ebenso gut kann sich die Erreichung der 90 %-Grenze aber auch durch Zusammenfassung mehrerer (innerhalb der 10-Jahres-Frist stattfindender) Rechtsvorgänge ergeben. Der Anteilsübergang kann auch durch Umwandlungsvorgänge (z.B. Gesamtrechtsnachfolge durch Verschmelzung oder Teilrechtsnachfolge bei Spaltung) der Personengesellschaft auf einen anderen Rechtsträger beruhen. Der Tatbestand wird auch erfüllt, wenn eine Kapitalgesellschaft, die mit (wenigstens) 90 % an einer grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt ist, auf eine andere Kapitalgesellschaft verschmolzen wird.
Rz. 762
Auch Veränderungen der Beteiligungsverhältnisse ohne den Beitritt eines weiteren Gesellschafters können den Tatbestand des § 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG erfüllen. Gemeint sind hier die Fälle, in denen ein bereits beteiligter Gesellschafter weitere Anteile hinzuerwirbt, sich diese also von anderen Gesellschaftern abtreten (dinglich übertragen) lässt.
Rz. 763
Bei mehrstufigen Beteiligungsverhältnissen kann zur Tatbestandsverwirklichung mitunter die mittelbare Änderung im Gesellschafterbestand genügen, also gegebenenfalls ein Gesellschafterwechsel lediglich auf einer höheren Beteiligungsstufe. In derartigen Fällen wird der Umfang der übertragenen Beteiligungen nach § 1 Abs. 2a S. 2 GrEStG durch Multiplikation der Vomhundertsätze der Anteile am Gesellschaftsvermögen ermittelt. Nach § 1 Abs. 2a S. 6 GrEStG bleiben hierbei Anteilserwerbe, die sich von Todes wegen vollziehen, außer Ansatz. Gesellschafterwechsel durch Erbfolge (auch auf der Grundlage von Vermächtnissen) sollen eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG ausdrücklich nicht auslösen. Schenkweise Anteilsübertragungen sind allerdings nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbare Änderungen im Gesellschafterbestand.
Rz. 764
Liegen die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale vor, resultieren hieraus so viele Steuerfälle, wie der Gesellschaft Grundstücke gehören. Die 10-Jahres-Frist ist demzufolge für jedes Grundstück im Vermögen der Personengesellschaft selbstständig zu beurteilen.