aa) Vermächtnis als Besteuerungsgegenstand
Rz. 46
Der Vermächtnisnehmer erwirbt gem. § 2174 BGB (lediglich) eine gegen den Beschwerten gerichtete Forderung auf Leistung des vermachten Gegenstandes. Vermächtnisgegenstände können vielfältiger Natur sein. Im Wesentlichen ist zu unterscheiden zwischen Vermächtnisgegenständen, die sich tatsächlich im Nachlass befinden, und solchen, die der Beschwerte zur Vermächtniserfüllung von einem Dritten erwerben, also dem Vermächtnisnehmer verschaffen muss (sog. Verschaffungsvermächtnis, § 2170 BGB).
Rz. 47
Umstritten war in jüngerer Vergangenheit, was bei der Vermächtniszuwendung eigentlich den Besteuerungsgegenstand bildet, der Vermächtnisgegenstand als solcher oder der auf seine Übereignung gerichtete Sachleistungsanspruch. Hintergrund dieses Disputs war natürlich die mannigfaltige Durchbrechung des Verkehrswertansatzes für diverse Vermögensgegenstände, insbesondere Grundstücke, nicht notierte Anteile an Kapitalgesellschaften und gewerbliches Vermögen. Diese Frage ist zwischenzeitlich durch den einheitlichen Verkehrswertansatz in den Hintergrund getreten.
Rz. 48
Nichtsdestotrotz gingen herrschende Meinung und Literatur in der Vergangenheit stets davon aus, dass Besteuerungsgegenstand der Vermächtnisgegenstand selbst sein müsse. Tatsächlich ist Besteuerungs- und Bewertungsgegenstand beim Kaufrechtsvermächtnis aber ein aufschiebend bedingtes Forderungsrecht.
Ist der vom Erblasser bestimmte Kaufpreis niedriger als der Verkehrswert des zum Kauf vermachten Gegenstandes, ist das Erwerbsrecht mit der Wertdifferenz als Erwerb von Todes wegen zu erfassen.
Beim Verschaffungsvermächtnis fehlt es zwar an der Nachlasszugehörigkeit des Vermächtnisgegenstandes. Dessen ungeachtet ging der BFH aber bis zum Inkrafttreten des ErbStRG 2009 vom gemeinen Wert als systematisch richtigem Wertmaßstab aus. An dieser Bewertungssystematik hat sich durch die späteren Reformen der Erbschaftsteuer nichts geändert.
Rz. 49
Gegenstand eines Vermächtnisses kann auch der Anspruch auf eine Rentenzahlung oder die Einordnung eines Nießbrauchsrechts sein. In diesem Fall hat aber der Vermächtnisnehmer nach § 23 ErbStG ein Wahlrecht, ob er den Erwerb sofort in voller Höhe nach dem Kapitalwert versteuert, oder ob er sukzessive nach dem Jahreswert die Steuer entrichtet.
bb) Teilungsanordnung und Vermächtnis
Rz. 50
In der zivilrechtlichen Praxis sind im Wesentlichen zwei Arten der Zuwendung von Todes wegen anzutreffen, nämlich die Erbeinsetzung und die Vermächtnisanordnung. Werden Erbeinsetzung und Vermächtnisanordnung miteinander kombiniert, kann auch ein Vorausvermächtnis i.S.d. § 2150 BGB vorliegen. Will der Erblasser einzelnen Miterben bestimmte Vermögensgegenstände gegenständlich zuweisen, bietet ihm das Vorausvermächtnis hierzu das entsprechende Instrumentarium. Dasselbe Ziel lässt sich aber zumeist auch durch eine Teilungsanordnung erreichen.
Rz. 51
Daher können oftmals Zweifel bestehen, ob der Erblasser in seiner letztwilligen Verfügung die beabsichtigte gegenständliche Zuweisung durch Vorausvermächtnis oder durch Teilungsanordnung erreichen wollte. Die Unterscheidung der beiden Instrumente ist aber unter erbschaftsteuerrechtlichen Gesichtspunkten von erheblicher Bedeutung, da Teilungsanordnung und Vermächtnis (insbesondere Vorausvermächtnis) zu völlig unterschiedlichen steuerlichen Konsequenzen führen:
Rz. 52
Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt der Erwerb durch Vermächtnis eigenständig als Erwerb von Todes wegen. Die Teilungsanordnung wird hingegen in § 3 ErbStG nicht genannt, sie ist erbschaftsteuerlich unbeachtlich. Denn auch wenn die Teilungsanordnung im Ergebnis eine gegenständliche Zuweisung ererbten Vermögens bewirkt, beruht der Erwerb zivilrechtlich nicht etwa auf der Teilungsanordnung; er erfolgt vielmehr durch Erbanfall i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Die Umsetzung der Teilungsanordnung bildet quasi einen zweiten Schritt, der losgelöst vom Anfall der Erbschaft an die Erbengemeinschaft zu betrachten ist.
Rz. 53
Während eine Vermächtnislast vom Erben gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG von seinem steuerpflichtigen Erwerb von Todes wegen abgezogen werden kann, ist dies hinsichtlich der mit einer Teilungsanordnung eventuell verbundenen Verpflichtung nicht denkbar. Insoweit korrespondiert § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG mit § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG; etwas Vergleichbares hat der Gesetzgeber hinsichtlich der Teilungsanordnung nicht vorgesehen.
Rz. 54
Die dogmatisch äußerst bedeutsame Unterscheidung zwischen Teilungsanordnung und Vermächtnis hat allerdings durch die seinerzeitigen Neuregelungen im Zuge der Erbscha...