Rz. 1
Wie das Erkenntnisverfahren, ist auch die Zwangsvollstreckung ein staatliches Verfahren. Im Unterschied zum Erkenntnisverfahren, bei dem die Gerichte darüber entscheiden, ob jemandem ein Anspruch gegen eine andere Person zusteht, geht es bei der Zwangsvollstreckung – wie der Name bereits besagt – um die zwangsweise Durchsetzung titulierter, d.h. in einem Vollstreckungstitel ausgewiesener, privatrechtlicher Ansprüche mit staatlicher Hilfe. Die Hauptbeteiligten des Zwangsvollstreckungsverfahrens sind der Gläubiger, für den die Zwangsvollstreckung durchgeführt wird, und der Schuldner, gegen den die Zwangsvollstreckung erfolgt. Nachfolgend wird ausschließlich die sog. Einzelzwangsvollstreckung erörtert, d.h. die jeweils zugunsten nur einzelner Gläubiger erfolgende Zwangsvollstreckung in ein Teilvermögen des Schuldners. Diese Einzelzwangsvollstreckung ist von der Zwangsvollstreckung zum Zwecke der gleichzeitigen Befriedigung aller Gläubiger eines Schuldners in dessen gesamtes Vermögen zu unterscheiden. Die Gesamtzwangsvollstreckung findet im Rahmen des Insolvenzverfahrens statt und wird gesondert im Kapitel über die Insolvenz erörtert.
Rz. 2
Dem mit der Zwangsvollstreckung befassten Rechtsanwalt und seinen Mitarbeitern stellen sich alltäglich neben den im Einzelfall womöglich auftauchenden Spezialfragen des Zwangsvollstreckungsrechts insbesondere folgende Ausgangsfragen:
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Wer möchte vollstrecken? |
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Gegen wen genau soll vollstreckt werden (Name, Anschrift)? |
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Liegt bereits ein vollstreckungsfähiger (Vollstreckungs-)Titel vor? |
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Wurde der Titel dem Schuldner bereits zugestellt, falls nicht, wie und (bei juristischen Personen) an wen erfolgt die Zustellung? |
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Ist eine Sicherheitsleistung zu erbringen, falls ja, wie und in welcher Höhe? |
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Kann der Vollstreckungsschuldner zur Abwendung der Zwangsvollstreckung Sicherheit leisten? |
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Wer ist für die Bearbeitung der beabsichtigten Vollstreckungsmaßnahme zuständig? |
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Was muss das Rechtsanwaltsbüro veranlassen, damit die Zwangsvollstreckungsmaßnahme durchgeführt wird? |
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Was kostet die jeweilige Zwangsvollstreckungsmaßnahme beim Vollstreckungsorgan? |
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Welche Vergütung erhält der Rechtsanwalt in der Zwangsvollstreckung? |
Rz. 3
Um mit diesen Fragen in der Praxis sachgerecht umgehen zu können, bedarf es einer eingehenden Befassung mit den Regelungen und Grundsätzen des Zwangsvollstreckungsverfahrens. Die Zwangsvollstreckung ist hauptsächlich im 8. Buch der ZPO (§§ 704–945 ZPO) sowie im Zwangsversteigerungsgesetz (ZVG) geregelt. Sie ist kein einheitliches, immer gleich ablaufendes Verfahren. Vielmehr hängen die möglichen Vollstreckungsmaßnahmen sowie der konkrete Verfahrensablauf von der Art des titulierten Anspruchs (Zahlungsanspruch, Herausgabeanspruch, Unterlassungsanspruch usw.) ab, aber auch von dem Gegenstand, in den vollstreckt werden soll (bewegliche Sachen, Forderungen, Grundstücke usw.). Diese Umstände haben auch maßgebliche Bedeutung für die Frage, welches staatliche Organ für die konkrete Vollstreckungsmaßnahme zuständig ist.
Rz. 4
Dies können sein
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der Gerichtsvollzieher; |
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das Vollstreckungsgericht; |
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das Grundbuchamt |
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das Schifffahrtsregister |
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das Luftfahrtregister |
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das Prozessgericht 1. Instanz. |