Dr. iur. Holger Bremenkamp, Dr. Wolfgang Kürschner
a) Anspruchsgrundlagen
Rz. 11
Zu unterscheiden von dem prozessualen Kostenerstattungsanspruch ist ein materiell-rechtlicher (sachlich-rechtlicher) Anspruch auf Ersatz von (Prozess)Kosten. Er kann sich gegen den Prozessgegner oder gegen einen Dritten richten. Er entsteht nicht kraft Veranlassung wie z.B. Klageerhebung, sondern setzt stets eine materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage voraus, zum Beispiel Vertrag, Geschäftsführung ohne Auftrag, culpa in contrahendo, positive Vertragsverletzung (jetzt §§ 280, 311 BGB), Verzug, §§ 823 Abs. 1 ff. BGB, § 1004 BGB, § 7 StVG oder andere Haftungsnormen. Die Inanspruchnahme wegen einer Geldforderung begründet nicht ohne Weiteres einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch des in Anspruch Genommenen hinsichtlich der für die außergerichtliche Abwehr des Anspruchs aufgewendeten Anwaltskosten. Eine Vertragspartei, die von der anderen Vertragspartei etwas verlangt, das nach dem Vertrag nicht geschuldet ist, oder ein Gestaltungsrecht ausübt, das nicht besteht, verletzt ihre Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB und handelt im Sinne von § 280 Abs. 1 S. 1 BGB pflichtwidrig; im Sinne von § 280 Abs. 1 S. 2 BGB zu vertreten hat die Vertragspartei diese Pflichtwidrigkeit aber nicht schon dann, wenn sie nicht erkennt, dass ihre Rechtsposition in der Sache nicht berechtigt ist, sondern erst, wenn sie diese Rechtsposition auch nicht als plausibel ansehen durfte.
b) Keine analoge Anwendung von § 91 ZPO
Rz. 12
Ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch kann, wenn andere Anspruchsgrundlagen nicht gegeben sind, nicht ausschließlich auf eine analoge Anwendung des § 91 ZPO oder auf eine solche der §§ 485 ff., 494a ZPO gestützt werden. Einen verschuldensunabhängigen Kostenerstattungsanspruch in analoger Anwendung des § 91 ZPO lehnen Rechtsprechung und Schrifttum einhellig ab, da dies zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten unerträglichen Erweiterung der Kostenerstattungspflicht führen würde. Denn auch hier gilt der das gesamte Kostenerstattungsrecht beherrschende Grundsatz, wonach der obsiegende Teil zu einer sparsamen Prozessführung verpflichtet ist und Anspruch nur auf Erstattung der für eine zweckgerichtete Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aufzuwendenden Kosten hat, nicht aber für eine solche optimaler Art und Weise. Für die Erstattung von Kosten, die einem Antragsgegner eines unzulässigen Beweissicherungsantrags (§ 485 a.F. ZPO) entstanden sind, lehnte der Bundesgerichtshof einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch ab: Wer sich in subjektiv redlicher Weise zur Wahrung seiner Rechte eines staatlichen, gesetzlich eingerichteten und geregelten Verfahrens bedient, haftet seinem Gegner für die Folgen einer nur fahrlässigen Fehleinschätzung der Rechtsgrundlage grundsätzlich nicht nach dem Recht der unerlaubten Handlungen.
c) Unterart des Schadensersatzanspruchs
Rz. 13
Der sachlich-rechtliche Ersatzanspruch ist also regelmäßig eine Unterart eines Schadensersatzanspruchs. Sein Umfang bestimmt sich daher im Zweifel nach §§ 249 ff. BGB; §§ 91 ff. ZPO sind grundsätzlich auf ihn nicht anwendbar. Zwar kann der gesetzlichen Beschränkung der prozessualen Kostenerstattung eine auch auf das Schadensersatzrecht wirkende Zurechnungsgrenze zu entnehmen sein. In diesem Sinn hat der Bundesgerichtshof einem Geschädigten etwa unter Hinweis auf die im prozessualen Kostenerstattungsrecht geltenden Grundsätze Schadensersatz für die eigene Mühewaltung bei der außergerichtlichen Abwicklung des Ersatzanspruchs versagt. Ähnlich hat das Bundesarbeitsgericht den in § 12a Abs. 1 ArbGG vorgesehenen Ausschluss der Erstattung der Kosten für die Zulassung eines Prozessbevollmächtigten im Arbeitsgerichtsprozess erster Instanz auf den materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch erstreckt und dies mit dem besonderen sozialen Zweck dieser gesetzgeberischen Interessenbewertung begründet.
Rz. 14
Das Gesetz muss jedoch hinreichend deutlich erkennen lassen, dass es sich um eine die prozessuale Kostenerstattung und den Ersatz auf materiell-rechtlicher Grundlage gleichermaßen betreffende Grundentscheidung handelt und welche Aufwendungen erfasst – das heißt dem Geschädigten als von ihm selbst zu tragen zugewiesen – sein sollen. Wenn dies nicht der Fall ist, wie der Bundesgerichtshof beispielsweise für die Ersatzpflichtigkeit von Privatdetektivkosten für die Aufenthaltsermittlung eines entzogenen Kindes angenommen hat, gilt, dass die prozessuale Kostentragungsregelung Raum lässt für ergänzende sachlich-rechtliche Ansprüche auf Kostenerstattung, die über die prozessuale Kostenerstattungspflicht hinausgehen können. Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgericht kann ein Arbeitge...