Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
In der nach billigem Ermessen zu treffenden gerichtlichen Kostenentscheidung kann und soll grundsätzlich auch ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch eines Beteiligten berücksichtigt werden
Normenkette
(§ 47 WEG)
Kommentar
Bei der in Wohnungseigentumssachen nach billigem Ermessen zu treffenden Kostenentscheidung des Gerichts ist grundsätzlich auch ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch eines Beteiligten zu berücksichtigen (vgl. auch KG, WM 1989, 93 und BGH, NZM 1998, 78). Auch in Beschlussanfechtungsverfahren wird grundsätzlich über die Pflicht zur Tragung der Gerichtskosten und zur Erstattung außergerichtlicher Kosten abschließend entschieden, sodass materiell-rechtliche Kostenerstattungsansprüche in einem neuen Verfahren nicht mehr geltend gemacht werden können (z. B. über Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs aus positiver Vertragsverletzung). Die Rechtskraft der in solchen Verfahren ergangenen Beschlüsse steht die Geltendmachung solcher weitergehenden Schadensersatzansprüche wie im vorliegenden Verfahren entgegen (BayObLGZ 1988, 287 (293); WuM 1993, 492; OLG Zweibrücken, NZM 1999, 1154). Eine gerichtliche Kostenverteilung entspricht allerdings dann nicht billigem Ermessen, wenn sie einer materiellen Erstattungspflicht nicht Rechnung trägt (vgl. auch Staudinger/Wenzel, § 47 WEG Rn. 8). Es sprechen auch Gründe der Prozessökonomie dafür, bei einer Kostenentscheidung einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch zu berücksichtigen, um nicht den gleichen Sachverhalt erneut zur gerichtlichen Nachprüfung stellen und ggf. entgegengesetzt beurteilen zu müssen. In einem solchen Fall folgt schon aus dem Grundsatz der Rechtskraft, dass die prozessuale Kostenregelung weitere sachlich-rechtliche Ansprüche ausschließt (BGHZ 45, 251 (257)).
Etwas anderes gilt nur dann, wenn die materielle Rechtslage hinsichtlich eines Kostenerstattungsanspruchs nicht abschließend beurteilt werden kann und deshalb die Berücksichtigung eines etwaigen Kostenerstattungsanspruchs bei der Kostenentscheidung ausdrücklich abgelehnt wird (vgl. BGH, NJW 2002, 680 zu § 91a ZPO, z. B. bei übereinstimmender Hauptsacheerledigung eines Verfahrens). Vorliegend ließ der Sachvortrag eine abschließende Beurteilung auch der materiellen Rechtslage zu. Eine gerichtliche Kostenentscheidung entspricht grundsätzlich auch nur dann billigem Ermessen, wenn sie einer etwaigen materiellen Erstattungspflicht Rechnung trägt. Unterlässt das Gericht ihre Berücksichtigung, so ist die Kostenentscheidung unrichtig; dies ändert aber nichts daran, dass ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch in einem weiteren Verfahren nicht mehr geltend gemacht werden kann (mangels ausdrücklicher Ablehnung einer Einbeziehung solcher Erstattungsansprüche in die Entscheidung).
Link zur Entscheidung
(BayObLG, Beschluss vom 26.09.2002, 2Z BR 78/02)
Bei dieser Rechtsansicht kann es m.E. Probleme dann geben, wenn z. B. ein Verwalter (als weiterer Beteiligter) im Zuge eines Beschlussanfechtungs- oder Beschlussnichtigkeitsfeststellungsverfahrens zur Kostentragung (von Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten) verurteilt wurde. Sind ihm hier Fehler vom Gericht angelastet worden, die zur Beschlussungültigkeit führten, muss wohl eine Kostenentscheidung zu seinen Lasten respektiert werden; ist er allein im Kostenpunkt mit einem Wert von über 750 EUR beschwert, sollte ihm dann auch das Beschwerderecht gegen eine solche belastende Kostenentscheidung zugesprochen werden, ohne die auch aus seiner Sicht korrekte Hauptsacheentscheidung zur Beschlussungültigkeit mit angreifen zu müssen.
Wie ist jedoch ein Fall zu entscheiden, wenn ein Verwalter als Versammlungsleiter die Eigentümer vor einer Abstimmung ausdrücklich auf Anfechtungs- oder gar Nichtigkeitsrisiken eines von der Gemeinschaft erwünschten Beschlusses hinweist, er jedoch dennoch von der Eigentümermehrheit zur Abstimmung und entsprechenden Verkündung eines Beschlusses "gezwungen" wird? Auch hier gab es bereits Instanzgerichte, die einen Verwalter als weiteren Beteiligten in die Tragung von Verfahrenskosten verurteilten. Ist nun für diese Fälle verwaltervertraglich eine Haftungsfreistellungs- bzw. Kostenerstattungsregelung vereinbart, ohne dass das Gericht in einer Kostenentscheidung eine solche Regressmöglichkeit mitberücksichtigt hat, kann m. E. die spätere Geltendmachung eines solchen Erstattungsanspruchs nicht durch eine abschließende "unrichtige" Kostenentscheidung präjudiziert werden. Vertragliche Sondervereinbarungen müssten hier einer richterlichen Kosten-Ermessensentscheidung vorgehen; eine "Endgültigkeit" der gerichtlichen Kostenentscheidung kann ich der Formulierung des § 47 WEG nicht entnehmen.