Rz. 36
Das Schiedsverfahren hat verschiedene Vorzüge. Der Erblasser ist daran interessiert, dass seine Anordnungen nach seinem Tod sofort oder zumindest in angemessener Zeit erfüllt werden. Deshalb gilt es, möglicherweise langwierigen Erbstreitigkeiten vorzubeugen. Das Schiedsverfahren kommt dabei den Beteiligten in mehrerlei Hinsicht entgegen:
Rz. 37
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Der Schiedsrichter kann – ohne förmlichen Antrag – nach freiem Ermessen entscheiden, er ist nur an die guten Sitten und den ordre public gebunden. |
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Ist besondere Sachkunde und/oder spezielle Rechtskenntnis erforderlich, so können dafür qualifizierte Schiedsrichter eingesetzt werden. Angesichts der stark zurückgeführten Juristenausbildung auf den Gebieten des Familien-, Erb-, Gesellschafts- und Steuerrechts gibt es dafür schon heute ein unabweisbares Erfordernis. Gerade die besondere Kompetenz des/der Schiedsrichter macht es in den meisten Fällen hinnehmbar, auf eine zweite Instanz zu verzichten. |
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Im Gegensatz zum ordentlichen Gericht kann das Schiedsgericht befreit von allen verzögernden Förmlichkeiten entscheiden. Die Gestaltung des Verfahrens kann damit zu einer schnellen Erledigung führen. |
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Die örtliche Zuständigkeit ist für die Parteien einfacher zu bestimmen als bei staatlichen Gerichten. Zur Konfliktverminderung können sogar wechselnde Verhandlungsorte vereinbart werden. |
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Das Verfahren betr. den vorläufigen Rechtsschutz ist ebenfalls weniger formalisiert als im Verfahren vor den ordentlichen Gerichten. |
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Verfahrensbeschleunigung: Begnügt man sich mit einem Einzelschiedsrichter und verzichtet man auf einen Instanzenzug (kein Oberschiedsgericht), so wird das Schiedsgericht im Allgemeinen innerhalb kürzester Zeit entscheiden können. Dies dient sowohl dem Anliegen des Erblassers wie auch dem Familienfrieden und erspart den Angehörigen langwierige und kostspielige Prozesse. Allerdings kann sich durch die Notwendigkeit der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs durch ein staatliches Gericht wiederum eine Verzögerung ergeben. |
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Geheimhaltungsinteresse der Parteien: Bereits der Umstand, dass überhaupt ein Rechtsstreit zwischen bestimmten Personen besteht, aber auch dessen Details sollen häufig einem interessierten Kreis der Öffentlichkeit unbekannt bleiben. |
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Zum Schiedsrichter kann auch der Testamentsvollstrecker ernannt werden. Die Befugnisse des Testamentsvollstreckers lassen sich durch eine Personalunion mit dem Schiedsrichteramt verstärken. Eine solche Doppelbestellung ist nach h.M. zulässig. |
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In Fällen mit Auslandsberührung: Vereinbarung der anwendbaren Rechtsordnung. |
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Verhandlungsführung in nicht deutscher Gerichtssprache, § 1045 ZPO. |
Rz. 38
Beispiel Erbteilungsklage: Bei der Erbteilungsklage vor dem ordentlichen Zivilgericht muss ein konkreter Teilungsplan (-vertrag) vorgelegt werden, zu dessen Abschluss die Zustimmung der anderen Miterben eingeklagt wird. Entscheidender Unterschied: Die Erbteilung vor dem ordentlichen Zivilgericht kann nur dadurch erreicht werden, dass ein konkreter Teilungsplan (Vertrag) vorgelegt wird, zu dessen Abschluss die Zustimmung der anderen Miterben eingeklagt wird.
Anders beim Schiedsgericht: Wenn das Schiedsgericht dazu vom Erblasser oder den Miterben gem. § 1051 Abs. 3 ZPO ermächtigt wurde, kann es, ohne dass der Kläger einen bestimmten Antrag zu stellen braucht, das Begehren der Parteien aus dem ihm unterbreiteten Sachverhalt ableiten und unter Berücksichtigung wirtschaftlicher, zweckmäßiger und praktischer Erwägungen entscheiden. Dies ist gerade im Hinblick auf die Schwierigkeit der richtigen Antragstellung im Zivilprozess ein wichtiger Aspekt.
Zu beachten ist allerdings, dass das Schiedsgericht nicht über die Ansprüche von Nachlassgläubigern oder über die Nachlasszugehörigkeit einzelner Gegenstände entscheiden kann, da eine solche Anordnung mit Wirkung für Nachlassgläubiger nicht in der Verfügungsmacht des Erblassers lag. Darüber hinaus darf auch eine Billigkeitsentscheidung nicht gegen zwingendes Erbrecht verstoßen, etwa gegen § 2065 Abs. 1 BGB.