Rz. 188
Wird der Anwalt erstmals mit einer Untätigkeitsklage beauftragt, erhält er eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV. Die Rspr. geht von einer unterhalb der Mittelgebühr liegenden Verfahrensgebühr aus. Zum Teil wird nur die doppelte Mindestgebühr angesetzt oder die halbe Mittelgebühr.
Rz. 189
Strittig war unmittelbar nach Inkrafttreten des RVG, ob schon alleine dadurch eine Erledigungsgebühr entsteht, dass der Antrag beschieden und der Verwaltungsakt erlassen wird. Diese Auffassung wird nicht mehr vertreten. Eine Erledigungsgebühr im Verfahren über eine Untätigkeitsklage kommt daher nicht in Betracht. Wenn es zu einer Erledigung kommt, dann tritt diese im Widerspruchsverfahren ein, das sich dann durch die beantragte Abhilfe erledigt.
Rz. 190
Ebenso wenig entsteht eine Terminsgebühr in entsprechender Anwendung der Anm. Anm. S. 1 Nr. 3 zu Nr. 3106 VV, wenn der Bescheid erlassen wird.
Beispiel 96: Untätigkeitsklage
Der bislang nicht mit der Sache befasste Anwalt wird erstmals mit der Erhebung einer Untätigkeitsklage beauftragt. Nach Klageerhebung wird der beantragte Bescheid erlassen.
Es entsteht nur die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV. Mit dem SG Berlin soll von der halben Mittelgebühr ausgegangen werden.
1. |
Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV |
|
180,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
200,00 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
38,00 EUR |
Gesamt |
|
238,00 EUR |
Rz. 191
Problematisch ist die Gebührenberechnung, wenn der Anwalt bereits im Verwaltungs- oder Nachprüfungsverfahren beauftragt war, in dem die Behörde untätig geblieben ist. Insoweit könnte man daran denken, die dort verdiente Geschäftsgebühr anzurechnen. Zu beachten ist jedoch, dass auch hier der Streitgegenstand derselbe sein muss. Im Verwaltungs- oder Nachprüfungsverfahren ist der Anwalt in der Hauptsache tätig; im Verfahren der Untätigkeitsklage geht es bei der sozialgerichtlichen Untätigkeitsklage (siehe § 88 SGG) ausschließlich um den Anspruch auf Bescheidung, nicht um die Sache selbst. Eine Entscheidung über seinen Leistungsanspruch oder eine Abwehr seiner Inanspruchnahme kann der Kläger hier aber nicht erreichen. Es handelt sich also faktisch um einen eigenen Instanzenzug. Da ein Verwaltungs- oder Nachprüfungsverfahren zur isolierten Untätigkeitsklage nicht vorgesehen ist, kann insoweit auch keine Vorbefassung gegeben sein. Daher ist bei einer Untätigkeitsklage keine Anrechnung einer vorangegangen Geschäftsgebühr vorzunehmen.
Beispiel 97: Untätigkeitsklage nach Tätigkeit im Widerspruchsverfahren
Der Anwalt wird erstmals mit der Erhebung des Widerspruchs beauftragt und, nachdem dieser nicht beschieden worden ist, mit der Erhebung einer Untätigkeitsklage. Daraufhin wird der beantragte Bescheid erlassen und die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.
Für das Widerspruchsverfahren erhält der Anwalt die Geschäftsgebühr der Nr. 2302 Nr. 1 VV. Im gerichtlichen Verfahren erhält er die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV, und zwar anrechnungsfrei. Ausgegangen werden soll hier wiederum von der halben Mittelbgebühr.
I. |
Widerspruchsverfahren |
1. |
Geschäftsgebühr, Nr. 2302 Nr. 1 VV |
|
414,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
434,00 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
82,46 EUR |
Gesamt |
|
516,46 EUR |
II. |
Untätigkeitsklage |
1. |
Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV |
|
180,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
200,00 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
38,00 EUR |
Gesamt |
|
238,00 EUR |
Rz. 192
Beispiel 98: Untätigkeitsklage nach Tätigkeit im Verwaltungs- und im Widerspruchsverfahren
Der Anwalt wird im Verwaltungsverfahren beauftragt, in dem der Antrag abgelehnt wird. Anschließend wird er mit der Erhebung des Widerspruchs beauftragt und, nachdem dieser nicht beschieden worden ist, mit der Erhebung einer Untätigkeitsklage. Daraufhin wird der beantragte Bescheid erlassen und die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.
Jetzt erhält der Anwalt im Verwaltungsverfahren die Geschäftsgebühr aus dem vollen Rahmen der Nr. 2302 Nr. 1 VV und im Widerspruchsverfahren die Geschäftsgebühr aus dem ermäßigten Rahmen der Nr. 2302 Nr. 1 VV. Im Verfahren der Untätigkeitsklage entsteht wiederum die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV.
I. |
Verwaltungsverfahren |
1. |
Geschäftsgebühr, Nr. 2302 Nr. 1 VV |
|
414,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
434,00 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
82,46 EUR |
Gesamt |
|
516,46 EUR |
II. |
Widerspruchsverfahren |
1. |
Geschäftsgebühr, Nr. 2302 Nr. 1 VV |
|
414,00 EUR |
2. |
gem. Vorbem. 2.3 Abs. 4 VV anzurechnen |
|
– 207,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
227,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
41,13 EUR |
Gesamt |
|
270,13 EUR |
III. |
Untätigkeitsklage |
1. |
Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV |
|
180,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
200,00 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
38,00 EUR |
Gesamt |
|
238,00 EUR |
Rz. 193
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