Rz. 134
Die Rechtsform der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) stellt eine Alternative zu den herkömmlichen nationalen Gesellschaftsformen dar. Die Gründung einer SE ist wie folgt möglich:
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Gründung einer SE durch Verschmelzung |
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Gründung einer Holding-SE |
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Gründung einer Tochter-SE |
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Umwandlung einer AG in einer SE |
Rz. 135
Im Weiteren wird am Beispiel der Gründung einer SE durch Verschmelzung die Grundsystematik der grenzüberschreitenden Umwandlung aus deutscher (nationaler) steuerlicher Sicht erläutert.
I. Gründung einer SE durch Verschmelzung
Rz. 136
Die Gründung einer SE kann durch Verschmelzung – entweder durch Aufnahme oder zur Neugründung – von mindestens zwei Aktiengesellschaften aus zwei verschiedenen EU-Mitgliedstaten bzw. EWR-Staaten erfolgen. Bei einer Verschmelzung durch Aufnahme geht das gesamte Vermögen der übertragenden Aktiengesellschaft (im Land A) auf die übernehmende Aktiengesellschaft (im Land B) über. Die übertragende Aktiengesellschaft geht unter und die übernehmende Aktiengesellschaft nimmt die Rechtsform einer SE an. Die Verschmelzung vollzieht sich im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge. Bei der Verschmelzung zur Aufnahme geht das Vermögen auf eine neu entstehende SE über. Die beiden Aktiengesellschaften gehen unter.
Rz. 137
Unter deutscher Beteiligung sind zwei Verschmelzungsvorgänge – durch Aufnahme – denkbar. Zum einen besteht die Möglichkeit der Verschmelzung einer deutschen Aktiengesellschaft auf eine EU/EWR-Aktiengesellschaft (so genanntes Hinausverschmelzen). Zum anderen kann die Verschmelzung einer EU/EWR-Aktiengesellschaft auf eine deutsche Aktiengesellschaft erfolgen (so genanntes Hineinverschmelzen).
II. Hinausverschmelzen
Rz. 138
Grundsätzlich ist anzuführen, dass das UmwStG auch die Verschmelzung einer deutschen Kapitalgesellschaft mit einer EU/EWR-Kapitalgesellschaft erfasst. Vor diesem Hintergrund sind die §§ 11–13 UmwStG für solche Verschmelzungen anwendbar.
Rz. 139
Damit der Verschmelzungsvorgang aus deutscher Sicht buchwertfortführend und somit steuerneutral erfolgt, müssen die folgenden Voraussetzungen erfüllt werden:
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Bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft muss das übernommene Vermögen der Körperschaftsteuer unterliegen. |
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Das deutsche Besteuerungsrecht des Gewinns aus einer künftigen Veräußerung des übertragenen Betriebsvermögens durch die Kapitalgesellschaft darf nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden (d.h. der Veräußerungsgewinn unterliegt der deutschen Körperschaftsteuer). |
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Für die Übertragung der Wirtschaftsgüter darf keine Gegenleistung gewährt werden, die nicht in Gesellschaftsanteilen besteht. |
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Das deutsche Besteuerungsrecht des Gewinns aus einer künftigen Veräußerung der Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft darf nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden (d.h. die Gewinne aus der Veräußerung der Anteile unterliegen der deutschen Besteuerung). |
Rz. 140
Inwieweit eine Verschmelzung einer deutschen Kapitalgesellschaft mit einer EU/EWR-Kapitalgesellschaft unter diesen Bedingungen aus deutscher Sicht steuerneutral erfolgen kann, wird an dem folgenden Beispiel erläutert:
Beispiel
Das Vermögen einer deutschen AG besteht ausschließlich aus einer Produktionsstätte in Deutschland. Sämtliche Aktien werden von A, einer in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen natürlichen Person, gehalten. Die deutsche AG wird auf eine nach französischem Recht körperschaftssteuerpflichtige AG durch Aufnahme verschmolzen, die dann die Rechtsform einer SE annimmt. A erhält als Gegenleistung ausschließlich Aktien an der französischen SE.
Rz. 141
Das UmwStG fordert, dass das übernommene Vermögen bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft der Körperschaftsteuer unterliegt. Hierfür reicht es aus, wenn das übernommene Vermögen bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft der ausländischen Körperschaftsteuer unterliegt. Da die übernehmende französische SE der (französischen) Körperschaftsteuer unterliegt, ist die erste Voraussetzung im vorliegenden Fall erfüllt.
Rz. 142
Ferner darf das Recht Deutschlands auf die Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung des übertragenen Betriebsvermögens nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden. Für die Steuerneutralität der Verschmelzung ist es somit von Bedeutung, ob das übertragene Vermögen in einer Betriebsstätte verbleibt, an der Deutschland das Besteuerungsrecht hat. Der Produktionsstandort in Deutschland stellt eine Betriebsstätte dar, der das gesamte Betriebsvermögen zuzuordnen ist. Da nach dem DBA-Frankreich Deutschland das Besteuerungsrecht zusteht, ist diese zweite Voraussetzung ebenfalls erfüllt.
Da im Rahmen der Verschmelzung ausschließlich Aktien als Gegenleistung gewährt werden, ist die dritte Voraussetzung auch gegeben.
Rz. 143
Die Anteile des A an der deutschen AG unterliegen in Deutschland der Besteuerung (Anteile im Sinne des § 17 EStG). Da das Besteuerungsrecht an den im Zuge der Verschmelzung erhaltenen Anteilen (Aktien an der SE) weiterhin Deutschland gemäß dem DBA mit Frankrei...