Rz. 220
Sofern verschlüsselte Zeugnisformulierungen verwendet werden, wird der Beurteilte, wenn er den Zeugniscode nicht kennt, an entscheidenden Stellen aus der Kommunikation ausgeschlossen und zum "Briefträger" einer Nachricht degradiert, die er nicht verstehen kann, ohne dass ihm diese Tatsache bewusst wird (so bereits ArbG Siegen v. 30.5.1980, EzA § 4 TVG Nr. 43 = ARST 1980, 192).
Rz. 221
Bei Abfassung des qualifizierten Zeugnisses haben sich im Laufe der Jahre in der betrieblichen Praxis hinsichtlich der zusammenfassenden Leistungs- bzw. Führungsbeurteilung Standardformulierungen entwickelt, die weitgehend bekannt sind und deshalb vom Arbeitnehmer hingenommen werden müssen. Es existieren fünf-, sechs- und siebenteilige Notenskalen. Dennoch können sie als im Wesentlichen abgeschlossen angesehen werden. Die Formulierungen und ihre notenmäßige Zuordnung weichen im Ergebnis nur noch in Nuancen voneinander ab, Unterschiede sind kaum noch messbar (s. zur Leistungsbewertung in Notenskalen grundlegend: Schmid, DB 1982, 1111; Weuster, BB 1992, 58; Berscheid, WPrax Heft 17/1994, 2, 6).
a) Zusammenfassende Leistungsbeurteilung
Rz. 222
Die Standardformulierungen werden hinsichtlich der notenmäßigen Abstufung der Leistung meist in Tabellen mit fünf Noten aufgeteilt (vgl. zur Notenskala LAG Hamm v. 19.10.1990, LAGE § 630 BGB Nr. 12). Eine Notenskala mit nur fünf Noten lässt nicht die gesamte Bandbreite der Bewertung zu. So werden Leistungen, bei denen der Arbeitgeber bescheinigt, dass der Arbeitnehmer die ihm gestellten Aufgaben "zu unserer vollen Zufriedenheit" erledigt hat, letztlich nur als durchschnittlich bewertet. Dies entspricht nicht dem Wortsinn der verwendeten Worte "volle Zufriedenheit", welche nach der üblichen Notenskala gleichbedeutend ist mit "vollbefriedigend". Gleiches gilt für die übrigen Notenskalen. Schon zwecks "Entschleierung" der Zeugnisse ist es angezeigt, eine Notenskala mit sieben Noten zu verwenden (LAG Hamm v. 13.2.1992, LAGE § 630 BGB Nr. 16). Bei dienstlichen Beurteilungen sind im öffentlichen Dienst sieben Noten mit folgenden Bewertungen üblich:
Rz. 223
Notenskala – Öffentlicher Dienst
sehr gut = |
eine besonders hervorragende Leistung |
gut = |
eine erheblich über den durchschnittlichen Anforderungen liegende Leistung |
vollbefriedigend = |
eine über den durchschnittlichen Anforderungen liegende Leistung |
befriedigend = |
eine Leistung, die in jeder Hinsicht durchschnittlichen Anforderungen entspricht |
ausreichend = |
eine Leistung, die trotz ihrer Mängel durchschnittlichen Anforderungen noch entspricht |
mangelhaft = |
eine an erheblichen Mängeln leidende, im Ganzen nicht mehr brauchbare Leistung |
ungenügend = |
eine völlig unbrauchbare Leistung |
Rz. 224
Danach ist also eine "Normalleistung" eine solche, die in jeder Hinsicht durchschnittlichen Anforderungen entspricht; sie ist mit "befriedigend" zu bewerten. Ist man nicht stets zufrieden, entspricht die Leistung aber trotz ihrer Mängel noch durchschnittlichen Anforderungen, ist eine Bewertung mit "ausreichend" angezeigt. Liegt die Leistung zwar über den durchschnittlichen Anforderungen, ohne erheblich herauszuragen, so ist sie mit "vollbefriedigend" zu bewerten (LAG Hamm v. 13.2.1992, LAGE § 630 BGB Nr. 16).
aa) Zufriedenheitsaussage
Rz. 225
Bei der sog. zusammenfassenden Zufriedenheitsaussage erfolgt die Abstufung durch die Variation des Zufriedenheitsgrades von "vollst zufrieden" bis "insgesamt zufrieden" sowie durch den Zeitfaktor "stets", "jederzeit", "immer", "durchweg" oder "ausnahmslos" (LAG Hamburg v. 6.12.2007 – 8 Sa 51/07, n.v.). Das Wort "voll" gehört zu den Adjektiven, die nicht vergleichsfähig sind, wie etwa auch "rund", "ganz", "halb". Unter Berufung auf die Grammatik der deutschen Sprache wird daher in neuerer Zeit die Wortverbindung "vollste Zufriedenheit" gelegentlich mit dem Bemerken abgelehnt, dass die Zufriedenheit nicht voller als voll sein könne und die "volle Zufriedenheit" nicht steigerungsfähig sei (LAG Düsseldorf v. 12.3.1986, LAGE § 630 BGB Nr. 2; ArbG Düsseldorf v. 25.7.1991, PersR 1992, 380 m. abl. Anm. Hohmeister). In der Zeugnissprache wird aber das Wort "vollste Zufriedenheit" demgegenüber in Kauf genommen (BAG v. 23.9.1992, EzA § 630 BGB Nr. 16 m. Anm. Haupt; BAG v. 21.6.2005, NZA 2006, 104). Im Hinblick auf den in Sprachlehrbüchern nicht vorhandenen Superlativ des Wortes "voll" dem Arbeitnehmer das Adjektiv "vollste" bei der Beurteilung im Zeugnis zu verweigern, wenn es in arbeitsrechtlichen Monografien, Musterbüchern und Zs. gebräuchlich ist, also gängiger Zeugnissprache entspricht, wäre nämlich rabulistisch (so schon LAG Nürnberg v. 14.3.1978, AuR 1978, 235; ferner ArbG Siegen v. 30.5.1980, EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 43 = ARST 1980, 192; LAG Saarbrücken v. 8.11.1989, LAGE § 630 BGB Nr. 8; ferner LAG Frankfurt am Main v. 6.9.1991, LAGE § 630 BGB Nr. 14; LAG Hamm v. 13.2.1992, LAGE § 630 BGB Nr. 16). Es erscheint jedoch empfehlenswerter und besser zu sein, dem Arbeitnehmer zu bescheinigen, dass die übertragenen Aufgaben "in jeder Hinsicht (und) außerordentlich zufriedenstellend" erledi...