Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeugnisberichtigungsanspruch - Bewertung von Leistung und Führung - Aufnahme des Beendigungsgrund ins Zeugnis

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Enthält das Zeugnis Unrichtigkeiten oder nimmt es zwar zu allen Punkten Stellung, ist aber in Teilen nicht so umfassend, wie es § 73 HGB vorsieht, oder verstößt es gegen andere Grundsätze der Zeugniserteilung, kann nicht mehr von fehlender Erfüllung, sondern nur von Schlechterfüllung gesprochen werden. Zur Beseitigung von Mängeln des Zeugnisses steht der Erfüllungsanspruch nicht (mehr) zur Verfügung. Anspruchsgrundlage für die Zeugnisberichtigung ist nicht § 73 HGB, sondern die allgemeine Fürsorgepflicht.

2. Der Arbeitnehmer, welcher mit einzelnen Bewertungen seiner Person oder Leistungen und/oder mit den Tätigkeits- und Aufgabenbeschreibungen nicht einverstanden ist, ist auf seinen Berichtigungsanspruch mit einem im einzelnen genau spezifizierten Klageantrag zu verweisen, er kann nicht mehr auf bloße Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses klagen. Da über einen Arbeitnehmer nur eine Beurteilung existieren darf, ist der Arbeitgeber nur verpflichtet, Zug-um-Zug gegen Rückgabe des beanstandeten Zeugnisses ein neues Zeugnis zu erteilen.

3. Nach der in der betrieblichen Praxis für die zusammenfassende Leistungsbeurteilung entwickelten "Zufriedenheitsskala" muß der Arbeitgeber bei einer "Normalleistung", d.h. einer Leistung, die in jeder Hinsicht durchschnittlichen Anforderungen entsprach, bescheinigen, daß der Arbeitnehmer die ihm gestellten Aufgaben ›stets zu unserer Zufriedenheit‹ erledigt hat. Liegt die Leistung zwar über den durchschnittlichen Anforderungen, ohne erheblich herauszuragen, so ist sie mit ›zu unserer vollen Zufriedenheit‹ (= vollbefriedigend) zu bewerten. Bewertet der Arbeitgeber die Leistungen eines Arbeitnehmers im Zeugnis mit ›zu unserer Zufriedenheit‹, so bringt er damit zum Ausdruck, der Arbeitnehmer habe unterdurchschnittliche, aber ausreichende Leistungen erbracht.

4. Will der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer, der insgesamt nur etwas länger als ein Jahr bei ihm beschäftigt gewesen ist, im Zeugnis lediglich durchschnittliche Leistungen bescheinigen, so genügt er seiner Darlegungspflicht, wenn er sich darauf beruft, daß er dem Arbeitnehmer gekündigt hat. Will er ihm dagegen nur unterdurchschnittliche Leistungen bescheinigen, so muß er darlegen und ggf. beweisen, daß der Arbeitnehmer Fehler gemacht hat und wegen dieser ermahnt oder abgemahnt worden ist. Will andererseits der Arbeitnehmer eine Leistungsbewertung im Zeugnis mit der Note "gut" haben, muß er darlegen und ggf. nachweisen, welche seiner Leistungen diese Anerkennung verdienen.

5. Unter der etwas antiquierten Wendung "Führung im Dienste" ist das gesamte dienstliche Verhalten des Arbeitnehmers, also das betriebliche Zusammenwirken zu verstehen, nämlich sein Verhalten zu Vorgesetzten, gleichgeordneten Arbeitskollegen, nachgeordneten Mitarbeitern, aber auch gegenüber Kunden. Mit "Führung" wird also das allgemeine Verhalten, die Fähigkeit, mit anderen zusammenzuarbeiten, die Vertrauenswürdigkeit, Verantwortungsbereitschaft und die Beachtung betrieblicher Ordnung angesprochen. Der Arbeitnehmer kann nicht verlangen, daß im Zeugnis nur die Leistungen oder nur die Führung beurteilt werden, da sich beides nicht trennen läßt, ohne einen falschen Eindruck von der Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu vermitteln. Selbst auf Wunsch des Arbeitnehmers darf es sich nicht ausschließlich auf Führung oder Leistung beschränken.

6. Steht unstreitig fest, daß betriebsbedingte Gründe für den Ausspruch der Kündigung nicht maßgebend gewesen sind, sondern daß das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers nach vorangegangener Abmahnung aus verhaltensbedingte Gründe beendet worden ist, dann bedeutet allein die Tatsache, daß nach wie vor ungeklärt ist, ob diese verhaltensbedingten Gründe geeignet gewesen sind, die ausgesprochene Kündigung zu rechtfertigen, nicht, daß irgendwelche anderen, in Wahrheit überhaupt nicht vorliegenden Gründe im Zeugnis aufgenommen werden müßten. In einem solchen Falle wäre der vom Arbeitnehmer begehrte Satz "betriebsbedingte Gründe" wahrheitswidrig.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Berichtigung eines dem Kläger von der Beklagten erteilten Zeugnisses.

Die Beklagte ist ein Unternehmen elektrotechnisches Handelsunternehmen. Bei ihr war der Kläger aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 21.08.1991 als kaufmännischer Angestellter zu einem Gehalt von zuletzt 3.100,-- DM beschäftigt. Nach Abmahnung vom 02.10.1992 kündigte die Beklagte ihm mit Schreiben vom 16.11.1992 verhaltensbedingt.

In dem vom Kläger angestrengten Kündigungsschutzprozeß schlossen Parteien am 07.02.1993 (6 Ca 2819/92) vor Arbeitsgericht Bielefeld folgenden Vergleich:

1.

Die Parteien sind sich darüber einig, daß das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen durch ordentliche arbeitgeberseitige Kündigung am 31.12.1992 geendet hat.

2.

Die Beklagte zahlt an den Kläger zum Ausgleich für den Verlust seines sozialen Besitzstandes...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge