Rz. 260
Der Zeugnisanspruch erlischt wie jeder schuldrechtliche Anspruch nach § 362 Abs. 1 BGB mit seiner Erfüllung. Hat der Arbeitnehmer ein qualifiziertes Zeugnis verlangt und ein einfaches Zeugnis erhalten, ist sein Anspruch auf Zeugniserteilung noch nicht erfüllt. Gleiches gilt allerdings auch im umgekehrten Fall, da ein qualifiziertes Zeugnis nur auf Wunsch des Arbeitnehmers auszustellen, ansonsten ein einfaches Zeugnis zu erteilen ist.
a) Wechsel der Zeugnisart
Rz. 261
Hat der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer wunschgemäß ein qualifiziertes Zeugnis ausgestellt, wird angenommen, der Arbeitnehmer könne nicht nachträglich auf ein (ihm ungünstiges) qualifiziertes Zeugnis zugunsten eines einfachen Zeugnisses verzichten, denn mit der Erfüllung des weiter gehenden Anspruches sei der engere erfüllt (Liedtke, NZA 1988, 270, 272; Schaub, ArbRHB, § 147 Rn 10).
Rz. 262
Hat der Arbeitnehmer ein qualifiziertes Zeugnis verlangt und ein einfaches Zeugnis erhalten oder umgekehrt, dann ist sein Anspruch auf Zeugniserteilung noch nicht erfüllt (vgl. Schaub, ArbRHB, § 147 Rn 10). Der Arbeitgeber hat nicht die nach Ausübung des Wahlrechtes geschuldete Leistung (§ 263 Abs. 2 BGB) erbracht und muss daher das verlangte Zeugnis ausstellen (RGRK/Eisemann, § 630 BGB Rn 49 m.w.N.). Dasselbe gilt, wenn der Arbeitnehmer sich nicht geäußert hat. Der Arbeitgeber kann die Zeugnisart nicht dadurch bestimmen, dass er dem Arbeitnehmer von sich aus ein einfaches oder qualifiziertes Zeugnis erteilt.
Rz. 263
Hat der Arbeitnehmer ein einfaches Zeugnis gefordert, kann er später noch die Zeugnisart wechseln und die Ausstellung eines qualifizierten Zeugnisses verlangen. Aus der nachwirkenden Fürsorgepflicht ist der Arbeitgeber gehalten, das qualifizierte Zeugnis noch nachträglich auszustellen, wenn sich für den Arbeitnehmer erst später das Bedürfnis herausstellt, bei einer Bewerbung ein solches Zeugnis vorlegen zu müssen (RGRK/Eisemann, § 630 BGB Rn 49). Das einfache Zeugnis hat er dann zurückzugeben.
Rz. 264
Ist der Anspruch erfüllt, weil das Zeugnis wahr ist und es deshalb nichts zu berichtigen gibt, und ist das Zeugnis zulässigerweise geeignet, den Arbeitnehmer in seinem beruflichen Fortkommen zu hindern, kann man ihn nicht auf den Berichtigungsanspruch verweisen. Er ist in diesem Fall für sein berufliches Fortkommen auf ein einfaches Zeugnis angewiesen. Er kann nicht gezwungen werden, sein berufliches Fortkommen mit einem qualifizierten Zeugnis zu suchen, das seine Stellungssuche erschwert. Der Aufwand, den ein zusätzlich erteiltes einfaches Zeugnis erfordert, fällt demgegenüber nicht ins Gewicht (RGRK/Eisemann, § 630 BGB Rn 49).
b) Klage auf Ausstellung eines Zeugnisses
Rz. 265
Zur Ausstellung eines einfachen oder qualifizierten Zeugnisses ist der Arbeitgeber verpflichtet. Die Formulierung des Zeugnisses ist jedoch seine Sache; die Wahl bestimmter Ausdrücke kann der Arbeitnehmer nicht vorschreiben. Jedoch dürfen sowohl bei der Aufgaben- und Tätigkeitsbeschreibung als auch bei der Leistungs- und Führungsbeurteilung weder Wortwahl noch Satzstellung noch Auslassungen dazu führen, dass bei Dritten – der Wahrheit nicht entsprechende – Vorstellungen erweckt werden (BAG v. 23.6.1960, AP Nr. 1 zu § 73 HGB m. Anm. A. Hueck). Gerade in gerichtlichen Vergleichen, die Kündigungsrechtsstreitigkeiten beenden, vereinbaren die Parteien häufig, dass der Arbeitnehmer für die Formulierung des Zeugnisses ein Vorschlagsrecht erhält und der Arbeitgeber von dem Vorschlag nur aus wichtigem Grund abweichen darf. In diesem Fall ist der Arbeitgeber an den Vorschlag gebunden und nur berechtigt abzuweichen, wenn der Vorschlag inhaltlich fehlerhafte Feststellungen enthält, z.B. Tätigkeiten beschreibt, die der Arbeitgeber nicht ausgeübt hat. Die Formulierungshoheit wird in diesem Fall auf den Arbeitnehmer übertragen Da häufig Streit besteht über die Benotung der Leistung des Arbeitnehmers, ist es sinnvoll, auch über diese Frage vorab Einigkeit zu erzielen. Weicht der Arbeitgeber von einem Entwurf durch eine Steigerung nach "oben" ab, ist der titulierte Zeugnisanspruch nicht erfüllt, wenn sich aus dem Gesamteindruck des Zeugnisses ergibt, dass die Bewertung durch ihren ironischen Charakter nicht ernstlich gemeint ist (vgl. LAG Hamm v. 14.11.2016 – 12 Ta 475/16).
Rz. 266
Die Klage kann auf Erteilung eines einfachen oder qualifizierten Zeugnisses gerichtet sein. Verlangt ein Arbeitnehmer im Klageweg vor dem ArbG (§ 2 Abs. 1 Nr. 3e ArbGG) ein Zeugnis, dann ist der Antrag, ihm ein einfaches oder qualifiziertes Zeugnis zu erteilen, hinreichend i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bestimmt.
Rz. 267
Weigert sich der Arbeitgeber, auf Anforderung ein einfaches Zeugnis zu erteilen, dann genügt folgender Klageantrag (Berscheid, WPrax Heft 18/1994, 6, 9):
Rz. 268
Muster 32.4: Klageantrag auf Erteilung eines einfachen Zeugnisses
Muster 32.4: Klageantrag auf Erteilung eines einfachen Zeugnisses
Der/die Beklagte wird verurteilt, dem/der Kläger/in ein schriftliches Zeugnis zu erteilen, das sich auf Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses erstreckt.
Rz. 269
Weigert sich der...