Rz. 234

Bei der Bewertung der "Führung", also des Verhaltens des Arbeitnehmers, kommen ebenfalls zusammenfassende Beurteilungen vor. Hier ist aber meist wichtiger, ob alle drei bzw. vier Bereiche (Vorgesetzte, Arbeitskollegen, Untergebene und Kunden) bewertet werden oder ob durch eine Leerstelle Schwierigkeiten in einem Bereich angedeutet werden. Werden nicht alle Verhaltensrichtungen beurteilt, dann lassen die vorgenommenen Auslassungen – z.B. Nichterwähnung einer Gruppe – Rückschlüsse auf Verhaltens-, Anpassungs-, Kontakt- oder Führungsschwierigkeiten zu. In der Zeugnissprache spricht man von einem "beredtem Schweigen" (BGH v. 22.9.1970, AP Nr. 16 zu § 826 BGB m. Anm. E. Wolf). Bei der zusammenfassenden Führungsbewertung hat sich folgende Notenskala herausgebildet:

 

Rz. 235

Notenskala 3 – Zusammenfassende Führungsbewertung (Verhaltensbeurteilung)

 
Sein/Ihr Verhalten zu Vorgesetzten, Arbeitskollegen, (Untergebenen) und Kunden    
war stets vorbildlich = sehr gute Führung
war vorbildlich = gute Führung
war stets einwandfrei = vollbefriedigende Führung
war einwandfrei = befriedigende Führung
war ohne Tadel = ausreichende Führung
gab zu keiner Klage Anlass = mangelhafte Führung
Über … ist uns nichts Nachteiliges bekannt geworden = unzureichende Führung
 

Rz. 236

Anstelle von "einwandfrei" kann auch "korrekt" stehen, da dieses Wort gleichen Aussagewert hat (ArbG Solingen v. 17.5.1990, ARST 1991, 77). Wird einer Arbeitnehmerin bescheinigt, ihr Verhalten sei "beanstandungsfrei", so wird damit der Eindruck erweckt, es habe keinerlei Beanstandungen gegeben und es sei überhaupt kein Anlass gegeben, über sie irgendwelche Klagen zu führen. Eine solche Verhaltensbeurteilung kann nur verlangt werden, wenn das Verhalten der Arbeitnehmerin in jeder Hinsicht "vorbildlich" gewesen ist. Ist eine Arbeitnehmerin wegen wiederholter Unpünktlichkeit abgemahnt worden, kann sie eine solche Beurteilung in einem Zwischenzeugnis nicht (mehr) verlangen (LAG Hamm v. 8.7.1993 – 4 Sa 171/93, n.v.).

 

Rz. 237

Die Formulierung: "Sein (ihr) Verhalten … war ohne Tadel", ist nicht gleichbedeutend mit dem vielleicht etwas außer Mode geratenen Ausdruck "tadellos". Werden i.Ü. nur Selbstverständlichkeiten erwähnt, kann man die Zeugnisformulierung als "ohne Lob und Tadel" verstehen und den Zeugnisinhaber als unauffälligen Mitarbeiter ansehen. Das Vorbringen des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer habe sich gerade nicht ggü. Vorgesetzten, Arbeitskollegen, Untergebenen und Kunden einwandfrei benommen, sodass ihm nur bescheinigt werden könne, sein Verhalten sei "ohne Tadel" gewesen, ist unsubstantiiert und damit unbeachtlich. Verlangt der Arbeitnehmer mit seinem Antrag nur, dass seine Führung mit stets einwandfrei und damit mit der Note "vollbefriedigend" bewertet wird, dann ist in einem solchen Fall mangels überprüfbarer Angaben über das angeblich "nichteinwandfreie" Verhalten des Arbeitnehmers der Arbeitgeber antragsgemäß zu verurteilen (LAG Hamm v. 12.7.1994, LAGE § 630 BGB Nr. 27). Völlig negativ ist die Bewertung: "Über sein (ihr) dienstliches Verhalten ist uns nichts Nachteiliges bekannt geworden", die teilweise unzulässigerweise auch auf das außerdienstliche Verhalten des Arbeitnehmers ausgedehnt wird (Berscheid, WPrax Heft 17/1994, 2, 7).

 

Rz. 238

Eine Verletzung des Grundsatzes der wohlwollenden Beurteilung des Arbeitnehmers liegt nicht schon dann vor, wenn der Arbeitgeber in einem qualifizierten Arbeitszeugnis bei der Darstellung des Verhältnisses zwischen dem Arbeitnehmer und seinen Arbeitskollegen bzw. Vorgesetzten zuerst die Arbeitskollegen und danach erst die Vorgesetzten nennt. Folglich kann eine Umstellung der Wortreihenfolge "Kollegen – Vorgesetzte" in "Vorgesetzte – Kollegen" im Zeugnis nicht verlangt werden (ArbG Saarbrücken v. 12.4.2001 – 6a Ca 47/01, AiB 2001, 615 m. abl. Anm. Pfefferle; LAG Köln v. 30.8.2007, AuA 2008, 753; a.A. ArbG Saarbrücken v. 2.11.2001, AiB 2002, 444 m. zust. Anm. Pfefferle; teilw. a.A. LAG Köln v. 24.9.2007, AuR 200, 230, wonach die Frage, ob zuerst Kollegen oder zuerst Vorgesetzte genannt werden, von den Anforderungen des Arbeitsplatzes abhängen soll). Auch darf die zusammenfassende Verhaltensbeurteilung "gesplittet" werden, in dem der Arbeitgeber z.B. das Verhalten des Arbeitnehmers wie folgt bewertet: "Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Mitarbeitern war korrekt und gegenüber Kunden stets einwandfrei." Zwar dürfen einmalige Vorfälle oder Umstände, die für den Arbeitnehmer, seine Führung und Leistung nicht charakteristisch sind, seien sie für ihn vorteilhaft oder nachteilig, nicht enthalten sein, auch wenn sie zur Lösung des Arbeitsverhältnisses geführt haben (BAG v. 23.6.1960, AP Nr. 1 zu § 73 HGB m. Anm. A. Hueck; vgl. auch LAG Düsseldorf/Köln v. 9.3.1954, DB 1954, 371), nicht in einem Zeugnis erwähnt werden. Der Arbeitgeber darf sich nämlich bei der Abfassung des Zeugnisses nicht von Unstimmigkeiten, welche anlässlich des Ausscheidens des Arbeitnehmers etwa entstanden sind, leiten lassen, wenn der Arbeitnehme...

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