Rz. 73
§§ 230 ff. HGB i.V.m. §§ 705 ff. BGB.
Unterschied zur atypischen stillen Gesellschaft: Bei dieser liegt eine (allerdings nur schuldrechtliche) Beteiligung an den stillen Reserven und am Geschäftswert (Mitunternehmerrisiko) sowie auch die Beteiligung an typischen Unternehmerentscheidungen vor (Mitunternehmerinitiative); der atypische stille Gesellschafter bezieht Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG.
Die stille Gesellschaft ist eine "echte" Gesellschaft im Sinne der §§ 705 ff. BGB, jedoch kraft Definition eine Sonderform, nämlich eine Beteiligung an dem Handelsgewerbe eines anderen durch Leistung der Einlage in das Vermögen des Inhabers des Handelsunternehmens. In der Praxis ist es angesichts der häufig unvollkommen formulierten Gesellschaftsverträge von stillen Gesellschaften oft schwierig das Rechtsverhältnis von anderen Rechtsinstituten, insbesondere dem partiarischen Darlehen, abzugrenzen. Die Bezeichnung als "stille Gesellschaft" ist – wie auch sonst im Zivil- und Steuerrecht – nicht maßgebend, sondern kann allenfalls (schwaches) Indiz sein; es kommt allein auf den Inhalt des Vertrages und/oder dessen Durchführung an. Die Entgelt-(Gegenleistungs-)seite des Rechtsgeschäfts, hier in Form der Gewinn- und/oder Verlustbeteiligung, kann ebenfalls keine hinreichende Antwort auf die Bestimmung des Typus des Rechtsverhältnisses geben. Selbst bei einem partiarischen Darlehen könnte – ausnahmsweise – einmal eine Verlustbeteiligung des Darlehensgebers denkbar sein (nach h.M. wird allerdings bei einer Verlustbeteiligung das Vorliegen eines partiarischen Darlehens ausgeschlossen). Allein entscheidend ist die Frage danach, ob ein gemeinsamer Zweck im Sinne des § 705 BGB mit der Folge gegenseitiger Treuepflichten (= Zweckförderungspflichten) vorliegt.
Auch bei der stillen Gesellschaft sollte – wie im Gesellschaftsrecht allgemein – äußerst genau auf die Abgrenzung zwischen so genannten Grundlagenangelegenheiten (Vertragsangelegenheiten) und dem Geschäftsführungsbereich unterschieden werden. Grundlagenangelegenheiten unterliegen der gesellschafterlichen Treuepflicht (Zweckförderungspflicht) nicht; sie sind interessenneutral. Nur die so genannten Geschäftsführungsangelegenheiten, die die Durchführung des Gesellschaftsvertrages als eine in die Zukunft gerichtete Tätigkeit betreffen, verbunden mit der gegenseitig bestehenden Pflicht zur optimalen Zweckverfolgung, unterliegen der gesellschaftlichen Treuebindung. Die von der ganz überwiegenden Ansicht vorgenommene Stufenbildung im Gesellschaftsrecht (gewöhnliche und außergewöhnliche Geschäftsführungsangelegenheiten einerseits, übliche und unübliche Grundlagenangelegenheiten/Vertragsänderungen andererseits) sollte von einer Zwei-Stufen-Unterscheidung "Vertragsdurchführung/Vertragsänderung" abgelöst werden.