Rz. 122
Wegen der besonderen Bedeutung der so genannten Bilanzgarantie (etwa die Hälfte aller geltend gemachten Garantieansprüche stützte sich in der Vergangenheit auf die Verletzung der Bilanzgarantie), soll diese kurz genauer dargestellt werden. Kurz gesagt garantiert der Verkäufer mit der Bilanzgarantie in der Regel, dass die Bilanz zum letzten Bilanzstichtag (oder weitere Jahre) "richtig" ist. Abhängig von der Interessenlage muss hierbei auf ein genaues Wording geachtet werden. Der Verkäufer sollte hierbei darauf achten, dass er nur eine schwache, subjektive Bilanzgarantie abgeben sollte. Diese beinhaltet lediglich die Zusicherung, dass die Erstellung nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung erfolgt ist und die Bilanz nach Kenntnis des Verkäufers einen zutreffenden Eindruck des Unternehmens ("true and fair view") vermittelt. Gegenstück ist die harte, objektive Bilanzgarantie, nach der die Unternehmenswirklichkeit mit der Bilanz tatsächlich und objektiv übereinstimmt. Im Falle einer harten Bilanzgarantie haftet der Verkäufer automatisch für die Richtigkeit einzelner Bilanzpositionen, so dass diese im Prinzip alle übrigen Garantien ersetzt und nahezu entbehrlich macht, sofern sich spezifische Garantieverstöße in der Bilanz nachvollziehbar widerspiegeln. Da dies für einen Verkäufer eigentlich nicht zu akzeptieren ist, wird in der Regel eine weiche Bilanzgarantie, dann häufig garniert mit Zusagen hinsichtlich einzelner Bilanzpositionen, vereinbart.
Rz. 123
Im Einzelnen ist zum Thema "Bilanzgarantie" vieles umstritten, so dass sich eine abschließende, dezidierte und vor allem klare Regelung im Unternehmenskaufvertrag vor allem für den Veräußerer zwingend anbietet. Aus Sicht des Veräußerers ist dabei insbesondere das Urteil des OLG Frankfurt vom 7.5.2015 (26 U 35/12) zu beachten, welches die Haftung auf Basis einer weichen Bilanzgarantie erweitert hat bzw. eine Formulierung, die man üblicherweise eher unter eine weiche Bilanzgarantie subsumiert, als harte Bilanzgarantie ausgelegt. Der betroffene Kaufvertrag beinhaltete zusätzlich zur weichen Bilanzgarantie folgende Formulierung zu den zur Verfügung gestellten Jahresabschlüssen: "und ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermittelt" und wurde vom OLG Frankfurt als harte Bilanzgarantie mit der Folge bewertet, dass der Veräußerer auch für ihm subjektiv nicht bekannte Schulden und Eventualverbindlichkeiten haftet. Um als Veräußerer mit Blick auf diese aktuelle Rechtsprechung auf der "sicheren Seite" zu sein und lediglich zu garantieren, dass den gesetzlichen Anforderungen bei der Aufstellung der Bilanz genüge getan wurde und es somit nur auf die Kenntnis des Verkäufers und der Geschäftsführung zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung ankommen soll, ist dies eindeutig festzuhalten ("eine weitergehende Haftung wird nicht übernommen bzw. "klarstellend wird vereinbart, dass es sich bei der Garantie nicht um eine so genannte "objektive" Bilanzgarantie handelt"). Aufgrund der ebenfalls unbestrittenen Wichtigkeit der Bilanzgarantie für den Käufer (Auffangfunktion) kommt es in der Praxis immer häufiger zu vermittelnden objektiven-subjektiven Formulierungen."
Rz. 124
Auch die Rechtsfolge der Verletzung der Bilanzgarantie ist nach dem vorgenannten Urteil mehr denn je umstritten. Während die wohl überwiegende Ansicht bisher von einem Bilanzauffüllungsanspruch ausging (sprich: die "konkrete" Schadensposition in der Bilanz ist zu ersetzen), vertritt das OLG Frankfurt die Ansicht, dass als Schadensersatz im Wege der Naturalrestitution eine Anpassung des Kaufpreises vorzunehmen ist (sprich: der "Minderwert" des Unternehmens vom Verkäufer ausgeglichen werden muss) – da die Ermittlung des Kaufpreises im betreffenden Kaufvertrag nicht wiedergegeben war, hat das OLG Frankfurt eine Schätzung des Mindestschadens gemäß § 287 ZPO vorgenommen. Hiergegen muss sich der Veräußerer durch eine eindeutige Regelung zur Rechtsfolge der Verletzung einer Bilanzgarantie schützen und für den speziellen Fall der Bilanzgarantie ausdrücklich regeln, dass als Schaden (maximal) eine Bilanzauffüllung verlangt werden kann (zu den allgemeinen Regeln der Begrenzung des Schadensersatzes siehe Rdn 130).
Rz. 125
Allerdings haftet der Verkäufer nicht für Mängel, wenn der Käufer den Mangel der Kaufsache kennt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kennt (§ 442 BGB). Hat also der Käufer grob fährlässig keine Kenntnis vom Mangel, ist der Anspruch nur dann nicht ausgeschlossen, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen oder eine entsprechende, konkrete Beschaffenheitsgarantie abgegeben hat. In der Praxis bedeutet dies, dass grob fahrlässige Unkenntnis von Mängeln immer dann zu diskutieren ist, wenn der Käufer keine den Regeln der Kunst entsprechende Due Diligence durchgeführt hat. Hat er diese durchgeführt, wird die mit der Unkenntnis verbundene Rechtsfolge typischerweise im Kaufvertrag speziell geregelt (siehe Rdn 83).