Rz. 66
§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG sieht vor, dass unbeschränkte persönliche Erbschaftsteuerpflicht vorliegt, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes, der Schenker zur Zeit der Ausführung der Schenkung oder der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer ein Inländer ist. Wird eine dieser Alternativen erfüllt, ist der gesamte Vermögensanfall in Deutschland steuerpflichtig, daher unbeschränkte Steuerpflicht. Das Gesetz knüpft also alternativ an die Person des Erblassers/Schenkers oder des Erben/Beschenkten an. Gilt nur einer von ihnen als Inländer i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, tritt die unbeschränkte Steuerpflicht ein. Dies gilt auch dann, wenn der Erwerb zugunsten mehrerer geschieht, die nicht alle Inländer sind. In diesem Ansatz des Gesetzgebers liegt auch die Grundlage für eine mögliche Doppelbesteuerung begründet. Sobald ein anderer Staat sich denselben Ansatz zu eigen macht und der Erblasser im einen, der Erbe im anderen Land als Inländer gilt, beanspruchen beide Staaten gleichzeitig für sich den kompletten Nachlass zu besteuern: Es kommt zu einer Doppelbesteuerung.
1. Steuerinländer
Rz. 67
Inländer sind gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 lit. a ErbStG Bürger, gleichgültig welcher Staatsangehörigkeit, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort haben, sowie gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 lit. d ErbStG Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, deren Sitz oder Geschäftsleitung sich im Inland befindet.
Gem. § 2 Abs. 2 ErbStG gehört zum Inland auch der der Bundesrepublik Deutschland zustehende Festlandssockel. Der Wohnsitz und der gewöhnliche Aufenthalt bestimmen sich nach den §§ 8 und 9 AO. Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen will. Die melderechtliche An- und Abmeldung bei der Ordnungsbehörde kann lediglich als Indiz für die Begründung eines Wohnsitzes herangezogen werden, hat jedoch de facto keine unmittelbare steuerrechtliche Wirkung.
Hinweis
Das deutsche Steuerrecht unterscheidet nicht zwischen Haupt- und Nebenwohnsitz. Somit kann auch eine Ferienwohnung oder ein Ferienhaus einen Wohnsitz begründen. Dies gilt zunächst einmal für Ausländer mit einer Ferienwohnung im Inland. Sie werden dadurch zu Inländern i.S.d. § 2 Abs. 1 ErbStG. Bei Inländern mit einer Ferienwohnung im Ausland gilt dies ggf. aber auch. Daher ist stets zu prüfen, ob der Belegenheitsstaat der Ferienimmobilie eine ähnliche Regelung vorsieht.
Rz. 68
Die Inländer-Eigenschaft von Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen richtet sich danach, ob sie ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland haben. Ort der Geschäftsleitung ist gem. § 10 AO der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung. Darunter versteht man in organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht die wichtigste Stelle, an der für die laufende Geschäftsführung nötigen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit angeordnet werden. Ihren Sitz hat eine Körperschaft, eine Personenvereinigung oder eine Vermögensmasse gem. § 11 AO an dem Ort, der durch Gesetz, Gesellschaftsvertrag, Satzung, Stiftungsgeschäft oder dergleichen bestimmt ist. Meistens sind beide Orte identisch, sie können aber auch auseinanderfallen.
Hinweis
Gerade in grenznahen Gebieten kommt es vor, dass der Satzungssitz und der Ort der geschäftlichen Oberleitung einer Körperschaft usw. auseinanderfallen. Dies ist dann der Fall, wenn z.B. der Sitz einer GmbH in Saarbrücken liegt, die beiden französischen Geschäftsführer die GmbH jedoch vom grenznahen Forbach (Moselle) oder Saargemünd (Frankreich) aus leiten.
Rz. 69
Darüber hinaus gelten gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 lit. b ErbStG als Inländer deutsche Staatsangehörige, die sich nicht länger als fünf Jahre dauernd im Ausland aufgehalten haben, ohne im Inland einen Wohnsitz zu haben (auch keinen untergeordneten Nebenwohnsitz). Diese Regelung kann als verlängerte unbeschränkte Steuerpflicht bezeichnet werden. Durch diese Regelung will der Gesetzgeber verhindern, dass durch einen kurzfristigen Wegzug ins Ausland vor dem Vollzug einer Schenkung oder sogar kurz vor dem Tod die deutsche Steuerpflicht umgangen werden kann.
Praxistipp
Der Wegzug ins Ausland unter Aufgabe des inländischen Wohnsitzes als Gestaltungsmittel ist nur selten wirklich umsetzbar. Einerseits ist er nur wirksam, wenn sowohl der Schenker und der oder die Beschenkten bzw. der Erblasser und der oder die Erben Deutschland wirklich verlassen, andererseits ist der mindestens fünfjährige Planungshorizont zu beachten. Als kurzfristiges Gestaltungselement ist der Wegzug ins Ausland daher völlig ungeeignet. Darüber hinaus ist auch der psychologische Aspekt nicht zu unterschätzen: Durch den Wegzug wird ggf. eine ganze Familie aus ih...