1. Zeugen
Rz. 9
Auch im Bußgeldverfahren gilt unbeschadet der Tatsache, dass hier der Umfang der Beweisaufnahme im Ermessen des Gerichts steht, der Vorrang des Personalbeweises (OLG Köln StV 2001, 342; OLG Naumburg DAR 2004, 109; Thüringer OLG NZV 2006, 493). Zeugenaussagen können deshalb – wenn nicht einer der Ausnahmegründe des § 251 StPO oder die Voraussetzungen des § 77a OWiG vorliegen – grundsätzlich nicht durch Verlesung der Urkunde ersetzt werden. Deshalb verstößt z.B. die Verwertung eines in der Hauptverhandlung verlesenen Ermittlungsberichts gegen § 250 StPO (BayObLG NZV 2000, 48; OLG Thüringen NZV 2006, 493). Der Zeuge muss grundsätzlich persönlich in der Hauptverhandlung vernommen werden, seine Vernehmung kann nicht durch Schriftstücke, Aktenvermerke oder eine im Ermittlungsverfahren bereits gemachte Aussage ersetzt werden; dies auch dann nicht, wenn er bestätigt, dass seine damaligen Angaben korrekt erfolgt sind (OLG Naumburg DAR 2004, 109).
Verwertbar ist nur das, an das sich der Zeuge, ggf. nach Vorhalt seiner früheren Angaben, noch erinnert (zu Zeugenaussagen allgemein siehe § 19 Rdn 1 ff.).
2. Sachverständige
Rz. 10
Zwar kann davon ausgegangen werden, dass ein erfahrener Verkehrsrichter in der Lage ist, einfache technische Fragen selbst zu beantworten (BGH NStZ 2000, 156), soweit es allerdings gesichertes empirisches Wissen, insbesondere zu schwierigen Fragen eines Fachgebiets, gibt, darf ein Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht abgelehnt werden (BGH StV 1994, 634; OLG Frankfurt DAR 95, 414), insbesondere dann nicht, wenn mit dem Beweisantrag substantiierte Einwendungen gegen die Messung vorgetragen werden (OLG Celle NZV 2009, 575; OLG Celle NZV 2010, 414).
Zwar kann der Antrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens bereits nach § 244 Abs. 4 S. 2 StPO abgelehnt werden, dennoch muss sich das Gericht mit einem von der Verteidigung vorgelegten Sachverständigengutachten befassen und im Urteil entweder dessen Inhalt mitteilen oder sich in anderer Form inhaltlich damit auseinandersetzen, anderenfalls ist das Urteil materiell-rechtlich fehlerhaft (OLG Jena DAR 2013, 161).
Da der Sachverständige lediglich Gehilfe des Gerichts ist und sich das Gericht ein Urteil nur aufgrund eigener Überzeugung bilden darf, muss es im Urteil die für seine Entscheidung maßgeblichen Anknüpfungstatsachen sowie die von ihm daraus gezogenen Schlüsse mitteilen (BGH StraFo 2000, 90; OLG Koblenz DAR 2006, 101; OLG Bamberg DAR 2018, 93).
3. Urkunden allgemein
Rz. 11
Neben Zeugenaussagen sind Urkunden das im Verkehrsprozess am häufigsten verwandte Beweismittel. Sie sind in der von §§ 249 ff. StPO, §§ 74 Abs. 1, 77a oder 78 OWiG vorgesehenen Form in die Hauptverhandlung einzuführen. Dass und wie dies geschehen ist, gehört zu den in das Protokoll aufzunehmenden Förmlichkeiten (OLG Koblenz zfs 2014, 176; KG zfs 2018, 650).
Die in diesem Zusammenhang häufig anzutreffende Formulierung "ausweislich des Sitzungsprotokolls wurde die Urkunde zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht" belegt indessen deshalb keine ordnungsgemäße Einführung in die Hauptverhandlung, weil damit offenbleibt, ob und in welcher vom Strafverfahrensrecht vorgesehenen Form die Urkunde ordnungsgemäß eingeführt worden ist (OLG Düsseldorf NZV 1996, 503; OLG Saarbrücken NStZ-RR 2000, 48; OLG Hamm zfs 2010, 111).
Rz. 12
Achtung: Rügebegründung
Rügt die Rechtsbeschwerde, die Urkunde sei nicht ordnungsgemäß durch Verlesung eingeführt worden, kann sie nur Erfolg haben, wenn sie gleichzeitig vorträgt, dass sie auch nicht in anderer vom Gesetz zugelassenen Weise, z.B. nach den Vorschriften der §§ 74 Abs. 1, 77a, 78 OWiG oder auch nur durch Vorhalt in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist (BGH NJW 1990, 1189).
4. Eichscheine oder Messprotokolle
Rz. 13
Eichscheine oder Messprotokolle sind Urkunden, die nur in der zuvor genannten Form eingeführt werden können, d.h. sie müssen grundsätzlich verlesen werden (OLG Düsseldorf DAR 2013, 92; OLG Hamm NZV 2016, 695).
Eine Beweisaufnahme gem. § 71 OWiG in Verbindung mit § 267 Abs. 1 S. 3 StPO ist hier nicht zulässig (OLG Bamberg DAR 2018, 279).
Achtung: Verlesung ohne Zustimmung der Verteidigung zulässig
Nach Auffassung des OLG Hamm (zfs 2014, 651) handelt es sich bei solchen Urkunden lediglich um Erklärungen der Strafverfolgungsbehörden, die keine Vernehmung zum Gegenstand haben (§ 256 Abs. 1 S. 5 StPO i.V.m. § 71 OWiG), so dass es weder für deren Verlesung noch für die Bekanntgabe des wesentlichen Inhalts nach § 78 Abs. 1 OWiG der Zustimmung bedürfen soll. § 77a Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 OWiG gelte nämlich nur, wenn es um Erklärungen geht, die nicht schon unter § 256 StPO fallen.
5. Fotografien, Unfallskizzen oder Schaltpläne
Rz. 14
Fotografien, Unfallskizzen, Schaltpläne u.Ä. können – neben einer Ortsbesichtigung – Gegenstand einer Inaugenscheinnahme sein (OLG Zweibrücken DAR 2012, 403; OLG Köln zfs 2016, 229).
Dabei muss allerdings die Inaugenscheinnahme protokolliert werden (BGH NStZ 1995, 10; OLG Zweibrücken DAR 2012, 403; OLG Koblenz zfs 2014, 170).
Achtung: Datenfeld des Radarfotos
Bei den aus der Datenleiste von Radarfot...