Rz. 70

Nach alter Rechtslage war es einem Deutschen Staatsbürger ganz grundsätzlich nicht möglich eine Rechtswahl zu treffen. Eine entsprechende Regelung war in Art. 25 ff. EGBGB a.F. schlichtweg nicht enthalten. Dennoch kamen Rechtswahlen recht häufig in Testamenten vor. Zum einen über den bereits benannten Art. 25 Abs. 2 EGBGB, jedoch noch viel häufiger zugunsten deutschen Rechts aufgrund der Bestimmungen ausländischer IPR-Gesetze. Es war dabei grundsätzlich nicht erforderlich, dass die Rechtswahl expressis verbis erfolgte. Möglich war auch eine konkludente Rechtswahl. Erforderlich war aber, dass der Wille des Erblassers, eine Rechtswahl tätigen zu wollen, ausdrücklich erkennbar ist.[140] Das Erkennen einer konkludenten Rechtswahl war und ist in der Praxis oftmals schwierig, insbesondere dann, wenn eine handschriftlich errichtete Verfügung von Todes wegen vorliegt. Für diesen Fall ist es erforderlich, dass der Berater mehr über die Lebensumstände des Erblassers herausfindet, um das Testament in seiner Gesamtheit "lesen" zu können. Anhaltspunkte für eine solche Rechtswahl können beispielsweise sein, dass der Erblasser einen Teil seines Lebens, womöglich sogar sein ganzes Leben, in der Bundesrepublik verbracht hat. Klassisches Beispiel sind Kinder aus Familien, deren Eltern als Einwanderer in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts nach Deutschland kamen. Sind beide Elternteile spanische oder italienische Staatsbürger, so bekommen auch die Kinder die italienische oder spanische Staatsangehörigkeit. Aufgewachsen und gelebt haben sie freilich nur in Deutschland. Dennoch ist aus erbrechtlicher Sicht (bis zum 17.8.2015) stets das ausländische Erbrecht anzuwenden, sofern die in Art. 25 Abs. 1 EGBGBa.F. ausgesprochene Verweisung angenommen wurde. Da diese Kinder aber in der Regel nur noch einen sehr eingeschränkten Bezug zu ihrem ursprünglichen Heimatland haben, werden sie sich, völlig selbstverständlich, später einmal bei der Abfassung ihres Testaments an der deutschen Rechtsordnung orientieren.[141]

 

Rz. 71

Neben den eigentlichen Lebensumständen müssen sich nun noch weitere Indizien in der Verfügung von Todes wegen finden, damit man eine konkludente Rechtswahl annehmen kann. Erkennbar wird eine solche konkludente Rechtswahl im Testament, wenn der Erblasser bei der Abfassung der letztwilligen Verfügung sich an Termini und Gestaltungsweisen des deutschen Erbrechts orientierte. Ein weiteres verstärkendes Indiz ist, wenn der oder die Erblasser bei der Abfassung des Testaments die deutsche Sprache wählen.[142]

[140] Prütting/Wegen/Weinreich/Freitag, Art. 25 EGBGB Rn 34.
[141] Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB Rn 327, 328 (2007).
[142] BayObLG FamRZ 1996, 694, 696; OLG Zweibrücken FamRZ 2003, 1697.

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