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Über diese allgemeinen Maßnahmen hinaus verlangt Art. 4 Abs. 1 V-RL, dass für die in Anhang I V-RL aufgeführten Vögel besondere Schutzmaßnahmen für deren Lebensräume ergriffen werden, um das Ziel der V-RL zu verwirklichen. Für die Erhaltung dieser Vogelarten sieht die V-RL vor, die zahlen- und flächenmäßig "geeignetsten Gebiete" zu Schutzgebieten auszuweisen (sog. special protected areas – SPA). Auch für die nicht in Anhang I aufgeführten, regelmäßig auftretenden Zugvogelarten hinsichtlich ihrer Vermehrungs-, Mauser- und Überwinterungsgebiete sowie der Rastplätze in ihren Wanderungsgebieten sind entsprechende Maßnahmen zu treffen (Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 V-RL). Nach der Vogelschutzrichtlinie treffen die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen, um die Verschmutzung oder Beeinträchtigung der Lebensräume sowie die Belästigung der Vögel in den genannten Schutzgebieten zu vermeiden. Die Mitgliedstaaten bemühen sich ferner, auch außerhalb dieser Schutzgebiete die Verschmutzung oder Beeinträchtigung der Lebensräume zu vermeiden (Art. 4 Abs. 4 V-RL). Der EuGH hat entschieden, dass wirtschaftliche Betätigungen nicht zur Verkleinerung des Schutzgebiets führen dürfen. Dieser Schutz wurde durch die FFH-RL jedoch abgeschwächt (dazu sogleich weiter unten).
Für die Auswahl und die Ausweisung der besonderen Schutzgebiete sind die jeweiligen Mitgliedstaaten zuständig. Nach § 32 Abs. 1 BNatSchG wählen die Länder die Vogelschutzgebiete aus. Im Gegensatz zur FFH-RL kennt die V-RL kein formalisiertes konstitutives Meldeverfahren. Der Mitteilung der Vogelschutzgebiete gegenüber der Kommission nach Art. 4 Abs. 3 V-RL kommt nur informatorischer Charakter zu. Die Kommission muss alle Gebiete kennen, weil sie erst dadurch in die Lage versetzt wird, zu überprüfen, ob der Mitgliedstaat der von der V-RL geforderten Ausweisung von Vogelschutzgebieten in einem ausreichenden Maße nachgekommen ist und wieweit das Netz Natura funktionsfähig ist oder ob sie dafür weitere Maßnahmen veranlassen muss. Konstitutive Wirkung hat aber die Gebietsanmeldung an die Kommission nicht. Art. 4 V-RL gibt die Kriterien an, nach denen die Auswahl geeigneter Vogelschutzgebiete zu erfolgen hat. Den Mitgliedstaaten kommt bei der Auswahl der Vogelschutzgebiete ein fachlicher Beurteilungsspielraum zu, daher ist diese Entscheidung nur der eingeschränkten Prüfung durch die Verwaltungsgerichte zugänglich. Nach § 32 Abs. 3 BNatSchG erklärt das Land die in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung eingetragenen Gebiete nach Maßgabe des Art. 4 Abs. 4 V-RL entsprechend den jeweiligen Erhaltungszielen zu geschützten Teilen von Natur und Landschaft i.S.d. § 22 Abs. 1 bzw. § 20. Die Erklärung zu Vogelschutzgebieten nach Art. 4 Abs. 1 S. 4 V-RL ist ein Erklärungsakt des Mitgliedstaats nach außen und muss nicht gleichzeitig auch die Inschutznahme bedeuten. Die geeigneten Schutzmaßnahmen können auch in einem weiteren Schritt folgen. Der EuGH verlangt, dass die Ausweisung von Vogelschutzgebieten durch eine innerstaatliche Regelung erfolgen muss, die sicherstellt, dass die durch die Ausweisung geschaffenen Ge- und Verbote für jedermann unmittelbar verbindlich sind.