A. Allgemeines
Rz. 1
Die Durchführung von Schiedsgerichtsverfahren erfreut sich steigender Beliebtheit. Es handelt sich aber nicht nur um eine Mode, die bald wieder verschwinden wird, sondern um eine höchst attraktive Gestaltungsform, die auch und gerade bei der Unternehmensnachfolge genutzt werden sollte. Wenn sich dieses Praxishandbuch im Wesentlichen mit der Thematik des Nachfolgeprozesses beschäftigt, dessen Grundlagen und Voraussetzungen erörtert und Einzelaspekte beleuchtet, darf man doch nicht die Augen davor verschließen, dass bei noch so gut gemeinter Nachfolgeplanung am Ende ein Streit der Erben untereinander oder des Erben mit den etwa in der Gesellschaft noch tätigen Gesellschaftern stehen kann. Ein solcher Streit geht für alle Beteiligten nicht nur emotional oft bis an die Grenzen, er übersteigt gelegentlich auch das finanzielle Potenzial der Streitparteien. Kommt es mithin zu einem kostenintensiven und langwierigen Prozess vor den ordentlichen Gerichten über den gesamten Instanzenzug, kann niemand auch nur ansatzweise im Vorhinein wissen, wohin sich das Blatt wenden wird. Das führt selbstverständlich zu einer völligen Unsicherheit, was die Zukunft des Unternehmens angeht. Zu treffende Entscheidungen werden zurückgestellt, das Unternehmen ist wie gelähmt. Es ist nicht übertrieben anzumerken, dass gelegentlich das Unternehmen in seiner Existenz bedroht wird, wenn die Erben erst einmal richtig zu streiten beginnen.
Das Musterbeispiel ist der lange Jahre währende Streit in dem Fleischereifachbetrieb Tönnies, der allseits bekannt sein dürfte. Dieses und ähnliche Verfahren zeigen sehr deutlich, dass die ordentliche Gerichtsbarkeit nicht in der Lage ist, hier durch eine entsprechende Verfahrensbündelung in überschaubarem Zeitraum Rechtsfrieden herzustellen.
Rz. 2
Andererseits ist gerade in Bezug auf erbrechtliche Streitigkeiten eine nur rudimentär ausgestaltete Kompetenz der ordentlichen Gerichtsbarkeit festzustellen. Leider gibt es nur ausnahmsweise schon bei den Landgerichten Fachkammern für Erbstreitigkeiten. Allerdings müssen diese ab dem 1.1.2021 bei jedem Landgericht eingerichtet werden (§§ 72a, 119a GVG). Fachsenate sind zwar bei den Oberlandesgerichten überwiegend anzutreffen, allerdings sind im Rahmen von Fragen zur Unternehmensnachfolge häufig steuerliche, gesellschaftsrechtliche und erbrechtliche Probleme zu klären, die schon für sich gesehen enorme Kompetenz verlangen, in ihrer Geballtheit aber von einer Spruchkammer kaum bewältigt werden können.
Es kann nicht verwundern, dass selbst BGH-Richter eine Spezialisierung der Instanzengerichte wünschen, denn selbst bei Oberlandesgerichten sind zum Teil in erbrechtlicher Hinsicht krasse Fehlurteile festzustellen, die dann erst vom BGH korrigiert werden müssen.
Rz. 3
Das hat in der Praxis dazu geführt, dass sich zunächst im Bereich der gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten die Schiedsgerichtsbarkeit etabliert hat. Im internationalen Wirtschaftsverkehr sind derartige Schiedsgerichtsklauseln keine Seltenheit: So gibt es institutionelle Schiedsgerichte etwa bei der Internationalen Handelskammer in Paris (ICC) und die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS), daneben aber auch noch weitere Schiedsgerichte etwa die Stockholmer Handelskammer (SCC), das Internationale Schiedsgericht der Wirtschaftskammer Österreich in Wien, The London Court auf International Arbitration (LCIA), das Schiedsgericht der Züricher Handelskammer und andere. In erbrechtlicher Hinsicht wird immer gerne auf den Rechtsstreit zwischen Kaiser Wilhelm II und seinem ältesten Sohn verwiesen. Hier lag ein Erbvertrag zu Grunde, der mit einer Schiedsklausel versehen war, die geeignet war, die deutschen Gerichte noch bis in die jüngste Zeit zu beschäftigen.
Zwar gehört das Erbrecht nicht zu den klassischen Bereichen der Schiedsgerichtsbarkeit, allerdings eignen sich Schiedsgerichtsklauseln auch und gerade in erbrechtlichen Anordnungen. In diesem Bereich hat sich speziell die Deutsche Schiedsgerichtsbarkeit für Erbstreitigkeiten (DSE) gebildet.
B. Definition und Abgrenzung
Rz. 4
Die Schiedsgerichtsbarkeit ist als eigenständige Gerichtsbarkeit zur Entscheidung der ihr vorgelegten Rechtsstreitigkeit berufen. So kann Gegenstand eines Schiedsverfahrens bei der Deutschen Schiedsgerichtsbarkeit für Erbstreitigkeiten neben Erbstreitigkeiten im engeren Sinne auch ein Streitfall im Zusammenhang mit einer vorweggenommenen Erbfolge, gesellschaftsrechtliche Nachfolgefragen oder eine Vorsorgevollmacht sein. Dennoch gibt es Abgrenzungsbedarf.
I. Abgrenzung zur staatlichen Gerichtsbarkeit
Rz. 5
Eine Entscheidung im schiedsgerichtlichen Verfahren in Erbsachen kann auf zwei Wegen erreicht werden:
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Ein derartiges Schiedsgericht kann seine Grundlage in einer Anordnung in einer letztwilligen Verfügung gemäß § 1066 ZPO haben (ein sogenanntes außervertragliches Schiedsgericht). |
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Ferner kann es zu ein... |