Inga Leopold, Dr. Stephan Pauly
Rz. 48
Grundsätzlich schuldet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Bruttobeträge. Der Arbeitgeber ist zwar gegenüber den Finanzbehörden im Rahmen der ihm obliegenden Haftung Gesamtschuldner mit dem Arbeitnehmer (§ 42d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 1 EStG). Im Innenverhältnis ist aber in der Regel allein der Arbeitnehmer Schuldner der Steuerforderung. Der Arbeitnehmer muss daher grundsätzlich auch steuerlich berechtigte Abzüge hinnehmen. Die Abzugsberechtigung folgt für Abfindungen, die ein Arbeitgeber an den Arbeitnehmer als Entschädigung anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zahlt, aus § 34 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. b und § 38 Abs. 3 S. 1 EStG.
Im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gilt dann etwas anderes, wenn sich dies aus den für das Arbeitsverhältnis geltenden Regelungen ergibt, denn das Steuerrecht sagt nichts darüber aus, welche Partei des Arbeitsverhältnisses zivilrechtlich verpflichtet ist, die Steuer wirtschaftlich zu tragen. Ob ein Nettoentgelt zu zahlen ist, muss durch Auslegung der maßgeblichen Regelungen ermittelt werden. Nettolohnvereinbarungen sind nicht die Regel, sondern die Ausnahme. Sie müssen einen entsprechenden Willen klar erkennen lassen. Das gilt auch, wenn es um die Auslegung einer Betriebsvereinbarung geht.
In Aufhebungs- oder Abwicklungsverträgen vereinbarte Abfindungen sind grundsätzlich auch ohne einen entsprechenden Zusatz Bruttobeträge, so dass der Arbeitnehmer anfallende Steuern zu tragen hat.
Rz. 49
Arbeitsgerichtliche Vergleiche enthalten gelegentlich noch eine sog. "Brutto = Netto“-Klausel, wonach ein an sich geschuldeter Bruttobetrag zum Nominalwert netto auszuzahlen ist. Eine derartige Regelung widerspricht dem Grundsatz, dass Abfindungen regelmäßig als Bruttoabfindungen zu verstehen sind. Ist von den Parteien wirtschaftlich gewollt, dass der Arbeitnehmer die anfallenden Steuern zu zahlen hat, sollte immer eine "Brutto"-Klausel vereinbart werden."
Praxishinweis
Grundsätzlich sollte man in gerichtlichen Vergleichen und in Aufhebungs- oder Abwicklungsverträgen immer, aber auch nur, den Zusatz "brutto" aufnehmen, um Streit um die Steuerpflicht gar nicht erst entstehen zu lassen.
Rz. 50
Nach dem Wegfall des § 3 Nr. 9 EStG muss der anwaltliche Vertreter des Arbeitgebers die Aufnahme einer "Brutto = Netto"-Klausel verhindern, damit seinem Mandanten keine Nachteile entstehen, da in diesem Fall eine Bruttovereinbarung allenfalls noch durch Auslegung der Klausel erreicht werden kann. Der Arbeitnehmer trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass es sich um eine Nettovereinbarung handelt.
Rz. 51
Verpflichtet sich der Arbeitgeber in einem Vergleich, an den Arbeitnehmer eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes "Brutto = Netto" zu zahlen, so führt dies nicht dazu, dass er die auf die Abfindung entfallende Einkommensteuer im Innenverhältnis zum Arbeitnehmer zu übernehmen hat, wenn beide Parteien sich über die Bedeutung der Floskel "Brutto = Netto" keine Gedanken gemacht haben. Es fehlt dann an dem Willen zur entsprechenden rechtsgeschäftlichen Gestaltung ihrer Beziehungen.