Experten warnen vor bAV-Auflösung in der Krise

Inflationsbedingt überlegen viele Beschäftigte, ihre betriebliche Altersversorgung aufzulösen, zu kürzen oder zumindest ruhen zu lassen. Dass dieser Versuch, das Netto wieder zu erhöhen, sich meist nicht auszahlt, zeigen Rechenbeispiele der DCS Deutsche Clearing-Stelle.

Die Zahlen zur wirtschaftlichen Entwicklung und zur Inflation sind in den vergangenen Monaten wenig erfreulich. Gestiegene Lebenshaltungskosten gehen mit Rezessionssorgen einher. Um dies aufzufangen, senken die Menschen zunehmend ihre Ausgaben. Wie die DCS Deutsche Clearing-Stelle GmbH evaluiert hat, betrifft dies auch die Investitionen in die Altersversorgung. Auf Kundendaten basierende Statistiken des Unternehmens, das sich auf die moderne Verwaltung der betrieblichen Altersversorgung (bAV) spezialisiert hat, zeigen: Die Zahl der Beitragsfreistellungen und Anträge auf vorzeitige Auflösung stieg im Jahr 2022 um rund das Doppelte gegenüber dem Vorjahr. Und die Tendenz zeigt laut DCS im vierten Quartal 2022 sogar noch in Richtung weiter rückläufiger Einzahlungen in die bAV.

Kündigung der bAV wegen Inflation in der Regel nur mit Zustimmung des Arbeitgebers

Überwiegend setzen Beschäftigte zunächst auf eine Beitragsfreistellung, im Zuge derer die Zahlungen lediglich pausieren. Sofern die Betroffenen dies wünschen, kann ein Vertrag in diesem Fall jederzeit wieder bespart werden. Doch auch die Anfragen zur vorzeitigen Auflösung nehmen aktuell zu. Zwar ist die Kündigung nicht ohne Weiteres möglich, da sie von den vertraglichen Modalitäten abhängt (in der Regel ist eine Zustimmung des Arbeitgebers erforderlich). Dennoch ist die Entwicklung nach Ansicht von Marco Eckert, Geschäftsführer der DCS, kritisch zu sehen.

Denn: In den meisten Fällen lohnt sich ein Stopp der Einzahlungen nicht. "Gerade Menschen in niedrigeren und mittleren Einkommensgruppen kürzen in der aktuellen Situation bei der betrieblichen Altersversorgung. Allerdings erhöht sich das tatsächlich verfügbare Nettoeinkommen dadurch nur unwesentlich. Denn wer seine bAV-Einzahlungen stoppt, verzichtet auch auf Zuschüsse des Arbeitgebers und auf Vorteile in puncto Steuer und Sozialversicherung", sagt Eckert.

Beitragsfreistellung oder Stopp der bAV: Beratung durch HR Professionals wichtig

Auf diese Problematik aufmerksam zu machen ist, so die DCS, Aufgabe der Personalverantwortlichen. Denn in der Regel sind sie erster Ansprechpartner für sämtliche bAV-Fragen. Marco Eckert empfiehlt, die Vor- und Nachteile gegenüber den Beschäftigten genau zu erläutern. Schließlich wird eine solide Altersversorgung angesichts des demografischen Faktors in Zukunft von immer höherer Bedeutung sein. Für Arbeitgeber wird es umgekehrt immer wichtiger, sich um die Beschäftigten zu kümmern. Auf Grundlage eines guten Informationsangebots seitens HR seien Arbeitnehmende in der Lage, eine durchdachte Entscheidung zu treffen, so Eckert.

Für Beschäftigte gilt es, langfristig betrachtete Einbußen bei der Rendite zu vermeiden. Denn durch den Zinseszinseffekt können sich heute geleistete Einzahlungen bis zum Rentenalter erheblich erhöhen – und zwar unabhängig davon, ob eine fondsbasierte oder eine klassische bAV bespart wird. Bei einer Aussetzung bleibt beides – zumindest anteilig – aus. Selbst wenn der Vertrag zu einem späteren Zeitpunkt erneut bespart wird, kann der Effekt nicht vollständig nachgeholt werden, da sich die Zeit bis zur Auszahlungsphase verkürzt.

Marco Eckert sieht dadurch in vielen Fällen das Risiko einer Altersarmut. "Die einmal von Arbeitnehmenden avisierte Rente aus der bAV steht im Falle von Einzahlungskürzungen nicht mehr in der kalkulierten Höhe zur Verfügung. Diejenigen, die bei der Vorsorge ohnehin knapp gerechnet haben, brauchen damit noch verbleibende Reserven auf - und das für kurzfristig ein paar Euro netto mehr auf dem Konto", so Eckert.

Steuern und Sozialabgaben auf Rückkaufswert der bAV

Noch drastischer sind die Folgen der Auflösung eines Vertrages - wobei eine solche nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist. Wurde ein Vertrag bereits über einen längeren Zeitraum bespart, steht zwar kurzfristig zusätzliches Kapital zur Verfügung. Doch zahlreiche Vorteile fallen dafür weg und ausbezahlt wird nur ein Anteil der ersparten und verzinsten Summe. "Verlockend erscheint oft der angegebene Rückkaufswert, der viele Beschäftigte zur Anfrage nach einer Kündigung verleitet", sagt Eckert. Doch tatsächlich unterliegt die Auszahlung der Abfindung aus einem bAV-Vertrag noch Steuern und Sozialabgaben – das wirke sich mindernd aus. Daher sollten Beschäftigte unter allen Umständen versuchen, einen Vertrag zumindest weiterlaufen zu lassen und ihn im Bedarfsfall für eine gewisse Zeit ruhend zu stellen. "Dies ist definitiv das kleinere Übel im Vergleich zu einer Auflösung", unterstreicht Eckert.

Rechenbeispiele: Was bringt die Auflösung der bAV?


Beispiel 1: Ersparnis bei Ruhendstellung eines bAV-Vertrages

Die Investition in eine bAV liegt laut DCS-Statistik im Schnitt bei 115 Euro pro Monat – den Arbeitgeberzuschuss in Höhe von 15 Prozent eingeschlossen. Wer den Vertrag beitragsfrei stellt, erhält jedoch lediglich 55 Euro netto mehr ausbezahlt.

Ausgangslage: Arbeitnehmer, 30 Jahre, Steuerklasse I, keine Kinder, mit einem monatlichen Brutto von 2.700,00 Euro.

Gehaltsabrechnung

ohne bAV

mit bAV

Bruttolohn

2.700,00 €

2.700,00 €

Entgeltumwandlung

100,00 €

Steuer- und Sozialversicherungs-Brutto

2.700,00 €

2.600,00 €

Arbeitgeberzuschuss

15,00 €

fließen in den bAV-Beitrag ein

Steuereinsparung

23,09 €

Sozialversicherungseinsparung

20,38 €

Nettolohn

1.849,25 €

1.792,72 €

Erhöhung des Nettolohns durch Ruhendstellung der bAV

56,53 €


Beispiel 2: Ersparnis bei Auflösung eines bAV-Vertrages

Ein Arbeitnehmer im Alter von 30 Jahren, der 32.400 Euro brutto verdient und eine bAV mit einem Rückkaufswert von 15.000 Euro auflöst, muss diese Summe zunächst versteuern. Im nächsten Schritt wird zudem ein Abzug für die Krankenversicherung fällig. Unter dem Strich bleiben lediglich 9.956 Euro zur Auszahlung übrig. Weitere Sozialabgaben können diesen Betrag sogar noch weiter reduzieren. Bei unveränderter Fortführung des Vertrags hätte der Beschäftigte jedoch ein Kapital von mindestens rund 63.000 Euro aufgebaut.

Ausgangslage: Arbeitnehmer, 30 Jahre, Steuerklasse I, keine Kinder, mit einem monatlichen Brutto 2.700,00 Euro.

Wert

regulär

mit Abfindung

Abfindung
(einzeln betrachtet)

Jahresbrutto

32.400 €

47.400 €

Abfindung aus bAV-Vertrag brutto

15.000 €

Einkommenssteuer

3.673 €

7.525 €

-3.852 €

Krankenkasse

2.576 €

3.768 €

-1.192 €

Tatsächlich ausbezahlte Abfindung (netto)

9.956 €

* vgl. zur Berechnung https://www.bmf-steuerrechner.de/index.xhtml


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