Dr. iur. Uwe Langohr-Plato
Rz. 421
Betriebliche Versorgungsleistungen unterfallen wie das Gehalt und sonstige vom Arbeitgeber gezahlte Vergütungen dem gesetzlichen Pfändungsschutz des § 850 Abs. 2 S. 1 ZPO und sind daher nur pfändbar, soweit der Leistungsumfang die in § 850c ZPO festgelegten Pfändungsfreigrenzen übersteigt (BAG v. 17.2.1998 – 3 AZR 611/97, DB 1998, 1039). Dies gilt auch für solche Versorgungsleistungen, die an Organmitglieder einer Kapitalgesellschaft oder deren Hinterbliebene gezahlt werden, und zwar selbst dann, wenn diese geringfügig am Kapital der Gesellschaft beteiligt sind (BGH, 8.12.1977 – II ZR 219/75, NJW 1978, 756).
Rz. 422
Arbeitseinkommen gem. § 850 Abs. 2 ZPO ist jedoch nur das laufende Entgelt. Hierunter fällt dagegen nicht der Beitrag, den ein Arbeitgeber zur Finanzierung einer betrieblichen Altersversorgung aufwendet. Insoweit bestehen keine Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Arbeitseinkommen i.S.v. § 850 Abs. 2 ZPO. Von daher sind diese Beiträge auch nicht bei der Berechnung des der Pfändung unterliegenden Lohnanspruches zu berücksichtigen (BAG v. 17.2.1998 – 3 AZR 611/97, DB 1998, 1039).
Rz. 423
Etwas anderes gilt nur dann, wenn die betriebliche Altersversorgung durch Entgeltverzicht finanziert wird und die Vereinbarung über diesen Entgeltverzicht gem. § 138 BGB nichtig ist. Dies kann z.B. dann der Fall sein, wenn sich der Arbeitnehmer mit dem Entgeltverzicht vorsätzlich einer Unterhaltspflicht ggü. seinen minderjährigen Kindern, seiner Ehefrau oder sonstigen unterhaltsberechtigten Personen entziehen will. In einem solchen Fall besteht der Anspruch auf den Barlohn anstelle des Versorgungslohns fort, und das ursprüngliche, d.h. das ungekürzte Einkommen des Arbeitnehmers kann zur Berechnung des pfändbaren Teiles herangezogen werden.
Allerdings ist nicht jede Entgeltumwandlung, die mit vollstreckbaren Ansprüchen Dritter zusammentrifft, sittenwidrig, und zwar selbst dann nicht, wenn die Entgeltumwandlung erst zu einem Zeitpunkt vereinbart wird, in dem dem Arbeitgeber bereits ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss über das Arbeitseinkommen des Arbeitnehmers zugestellt worden ist (BAG v. 14.10.2021 – 8 AZR 96/20, BetrAV 2022, 141; Langohr-Plato, jurisPR-ArbR 4/2022 Anm. 4). Dies gilt zumindest dann, wenn sich die Entgeltumwandlung der Höhe nach auf die Umsetzung des in § 1a BetrAVG normierten Rechtsanspruchs bewegt und die dort geregelte Höchstgrenze (aktuell 4% der Renten-BBG) nicht überschreitet. Eine derartige Ausübung des gesetzlichen Rechtsanspruchs auf Entgeltumwandlung stellt insbesondere keine den Gläubiger benachteiligende Verfügung i.S.v. § 829 Abs. 1 S. 2 ZPO dar (BAG v. 14.10.2021 – 8 AZR 96/20, BetrAV 2022, 141; Langohr-Plato, jurisPR-ArbR 4/2022 Anm. 4).
Insoweit liegt auch keine zur Nichtigkeit führende Sittenwidrigkeit i.S.v. § 138 BGB vor. Allein die Realisierung des gesetzlichen Anspruchs auf Entgeltumwandlung nach § 1a Abs. 1 S. 1 BetrAVG durch einen Arbeitnehmer kann einen solchen Sittenverstoß nicht begründen. Eine andere Bewertung könnte lediglich dann geboten sein, wenn wie bereits ausgeführt – sich der Schuldner durch die Entgeltumwandlung vorsätzlich einer Unterhaltspflicht entziehen will (BAG v. 14.10.2021 – 8 AZR 96/20, BetrAV 2022, 141; Langohr-Plato, jurisPR-ArbR 4/2022 Anm. 4).
Ob eine andere Bewertung ggf. dann geboten ist, wenn ein höherer Betrag als der in § 1a Abs. 1 S. 1 BetrAVG vorgesehene Höchstbetrag umgewandelt wird, hat das BAG allerdings bislang nicht entscheiden müssen.
Rz. 424
In dem Umfang, wie betriebliche Versorgungsleistungen dem gesetzlichen Pfändungsschutz unterfallen, können sie vom Versorgungsberechtigten auch nicht abgetreten oder verpfändet werden, §§ 400, 1274 Abs. 2 BGB.
Rz. 425
Versorgungsanwartschaften auf zukünftig fällig werdende Leistungen sind allerdings – entgegen der noch in den Vorauflagen vertretenen Auffassung – als "zukünftige Forderungen" pfändbar. Dies gilt zumindest für versicherungsförmig ausgestaltete Versorgungen wie die Direktversicherung. Einer solchen Pfändung steht auch nicht das in § 2 Abs. 2 S. 4 BetrAVG normierte Abtretungs- und Beleihungsverbot unverfallbarer Versorgungsanwartschaften entgegen (BGH v. 23.10.2008 – VII ZB 16/08, NJW-RR 2009, 211; BGH v. 11.11.2010 – VII ZB 87/09, VII ZB 87/09, BetrAV 2011, 104 = NJW-RR 2011, 283 = VersR 2011, 371).
Rz. 426
§ 2 Abs. 2 S. 4 BetrAVG schließt zwar aus, dass der ausgeschiedene Arbeitnehmer die geschützten Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag vor Eintritt des Versicherungsfalles abtritt oder beleiht. Die bestehende Anwartschaft soll zur Wahrung des Versorgungszwecks aufrechterhalten bleiben. Insb. soll verhindert werden, dass der Arbeitnehmer die Anwartschaft liquidiert und für andere Zwecke verwendet. Der Versorgungszweck der Anwartschaften soll möglichst lückenlos erhalten bleiben und gesichert werden (vgl. a.: Blomeyer/Rolfs/Otto, BetrAVG, § 2 Rn 260, unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien). Entsprechend dem Verfügungsverbot ist die Versorgungsanwartschaft gem. §...