Dr. iur. Uwe Langohr-Plato
Rz. 626
Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates beziehen sich zunächst einmal nur auf Angelegenheiten mit kollektivem Bezug. Die Vereinbarung einer echten Individualzusage, d.h. einer Regelung im Einzelfall, unterliegt daher nie dem gesetzlich zwingenden Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.
Rz. 627
Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates finden ferner ihre Grenzen dort, wo gesetzliche oder tarifvertragliche Regelungen bestehen, § 87 Abs. 1 S. 1 BetrVG. Gesetzes- und Tarifrecht haben somit eine Vorrangstellung.
Rz. 628
Das BAG hat darüber hinaus in seiner Rspr. zu § 87 BetrVG den inhaltlichen Umfang des gesetzlichen Mitbestimmungsrechtes exakt abgegrenzt. Ausgehend von der Tatsache, dass die Gewährung betrieblicher Versorgungsleistung in Deutschland auf freiwilliger Basis erfolgt, hat es dabei zugunsten des Arbeitgebers einen mitbestimmungsfreien Gestaltungsspielraum definiert, wonach der Arbeitgeber in vierfacher Hinsicht frei von Mitbestimmungszwängen entscheiden kann, nämlich
▪ |
ob er überhaupt finanzielle Mittel für ein betriebliches Versorgungssystem zur Verfügung stellen will, |
▪ |
in welchem finanziellen Umfang (Dotierungsrahmen) er das tun will, |
▪ |
welche Versorgungsform (Durchführungsweg) er wählen will und |
▪ |
welchen Arbeitnehmerkreis er versorgen will |
(st. Rspr., vgl. u.a. BAG v. 12.6.1975 – 3 ABR 137/73, BB 1975, 1064; BAG v. 12.6.1975 – 3 ABR 13/74, BB 1975, 1062; BAG v. 12.6.1975 – 3 ABR 66/74, BB 1975, 1065; BAG v. 18.3.1976 – 3 ABR 34/75, DB 1976, 683; BAG v. 18.3.1976 – 3 ABR 32/75, BB 1976, 1175; BAG v. 26.4.1988 – 3 AZR 168/86, NZA 1989, 219; BAG v. 16.2.1993 – 3 ABR 29/92, NZA 1993, 953 = ZAP 1994, F. 17 R, S. 59 m. Anm. Langohr-Plato).
Rz. 629
Nicht mitbestimmungspflichtig sind ferner Entscheidungen des Arbeitgebers, die nicht die Lohngestaltung betreffen. Hierzu gehören u.a. der Wechsel des Durchführungsweges sowie die Auswahl und der Wechsel des Versicherungsunternehmens bei einer Direktversicherung (BAG v. 16.2.1993 – 3 ABR 29/92, NZA 1993, 953; BAG v. 29.7.2003 – 3 ABR 34/02, DB 2004, 883; LAG Hamm v. 8.5.2002 – 10 TaBV 132/01, NZA-RR 2003, 99; Blomeyer/Rolfs/Otto, BetrAVG, Anh. § 1 Rn 414).
Rz. 630
Im Rahmen dieses Gestaltungsspielraums ist der Arbeitgeber lediglich gem. § 75 Abs. 1 BetrVG an die Grundsätze von Recht und Billigkeit (vgl. BAG v. 12.6.1975 – 3 ABR 137/73, BB 1975, 1064) sowie an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden.
Rz. 631
Bei der einschränkenden Neuordnung entscheidet allein der Arbeitgeber darüber, welche finanziellen Mittel (Dotierungsrahmen) er zukünftig für die betriebliche Altersversorgung seiner Mitarbeiter zur Verfügung stellt (BAG v. 10.3.1992 – 3 AZR 221/91, NZA 1992, 949). Lediglich bei der Verteilung dieser Mittel, der Art der Versorgungsleistung sowie den Leistungsvoraussetzungen, sprich bei der inhaltlichen Gestaltung der Leistungsordnung, besteht dann ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats (BAG v. 18.3.1976 – 3 ABR 32/75, BB 1976, 1175; BAG v. 13.7.1978 – 3 ABR 108/77, NJW 1979, 2534; BAG v. 9.7.1985 – 3 AZR 546/82, NZA 1986, 517; BAG v. 16.2.1993 – 3 ABR 29/92, NZA 1993, 953).
Rz. 632
Über die gesetzlich zwingenden Mitbestimmungsrechte des § 87 BetrVG hinaus steht es jedem Arbeitgeber frei, seine betriebliche Altersversorgung i.R.d. freiwilligen Mitbestimmung nach § 88 Nr. 2 BetrVG zu regeln.
Rz. 633
In persönlicher Hinsicht beschränkt sich die Mitbestimmungskompetenz des Betriebsrats auf die aktiven Arbeitnehmer i.S.v. § 5 Abs. 1 BetrVG. Dagegen hat der Betriebsrat keine Vertretungsmandate für die Betriebsrentner und die mit unverfallbaren Anwartschaften ausgeschiedenen ehemaligen Mitarbeiter des Unternehmens (st. Rspr., vgl. u.a. BAG v. 16.3.1956 – GS 1/55, NJW 1956, 1086; BAG v. 25.10.1988 – 3 AZR 483/86, NZA 1989, 522). Ferner werden die leitenden Angestellten i.S.v. § 5 Abs. 3 BetrVG sowie die Organe und Gesellschafter des Unternehmens von der Mitbestimmungskompetenz des Betriebsrates nicht erfasst.