Dr. iur. Uwe Langohr-Plato
Rz. 2
Nach der gesetzlichen Regelung in § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG wird betriebliche Altersversorgung als Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung definiert, die einem Arbeitnehmer aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses zugesagt worden sind.
Rz. 3
Diese arbeitsrechtliche Definition des Begriffes der betrieblichen Altersversorgung ist abschließend und enthält alle Voraussetzungen, die für die Qualifikation einer Leistung als betriebliche Altersversorgung erforderlich sind (BAG v. 28.10.2008 – 3 AZR 317/07, BetrAV 2009, 370). Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung erstreckt somit auf bestimmte biometrische Risiken wie Alter, Langlebigkeit, Tod und Invalidität. Er umfasst dagegen nicht andere Lebensrisiken wie z.B. Krankheitsrisiken. Irrelevant ist, ob Geld- oder Sachleistungen erbracht werden, und ob diese einmalig oder laufend oder in sonstigen Zeitabständen gezahlt werden (grundlegend: BAG v. 12.12.2006 – 3 AZR 476/05, NZA-RR 2007, 653 = DB 2007, 2043; vgl. auch Reinecke, DB 2007, 2836).
I. Kennzeichnende Merkmale
Rz. 4
Zu den Merkmalen einer betrieblichen Altersversorgung gehören somit das Versprechen einer Leistung zum Zweck der Versorgung, ein das Versprechen auslösendes biologisches Ereignis wie Alter, Invalidität oder Tod sowie die Zusage an einen Arbeitnehmer durch einen Arbeitgeber aus Anlass des Arbeitsverhältnisses (BAG v. 26.4.1988 – 3 AZR 411/86, DB 1988, 1019 = NZA 1989, 182; BAG v. 8.5.1990, DB 1990, 2375 = NZA 1990, 931). Darüber hinaus existieren keine weiteren einschränkenden, ungeschriebenen Tatbestandsmerkmale.
Rz. 5
Das BAG stellt hinsichtlich des Versorgungszweckes im Wesentlichen auf den Zeitpunkt des Eintrittes in den Ruhestand als rein formales Kriterium ab, und qualifiziert alle nach diesem Zeitpunkt gezahlten Leistungen als betriebliche Altersversorgung. Nach Ansicht des BAG erfüllen alle Leistungen einen Versorgungszweck, die den Lebensstandard des Versorgungsberechtigten im Versorgungsfall dauerhaft oder auch nur zeitlich befristet verbessern sollen (BAG v. 28.10.2008 – 3 AZR 317/07, BetrAV 2009, 370; vgl. auch Cisch/Bleeck, BB 2009, 1070).
Rz. 6
Die Einordnung einer zugesagten Leistung des Arbeitgebers als Leistung der betrieblichen Altersversorgung ist eine Rechtsfrage. Die rechtlichen Konsequenzen dieser Einordnung stehen nicht zur Disposition der Vertragsparteien, die nur den Vertragsinhalt festlegen können. Bei der rechtlichen Würdigung des Vertragsinhaltes kommt es dann entscheidend nur auf eine objektive Wertung und nicht auf subjektive Vorstellungen an (BAG v. 8.5.1990 – 3 AZR 121/89, DB 1990, 2375 = NZA 1990, 931). Irrelevant ist demgemäß auch die Bezeichnung einer Leistung durch die Vertragsparteien.
II. Ausgestaltung betrieblicher Versorgungsleistungen
Rz. 7
Für die Gewährung betrieblicher Versorgungsleistungen gilt grds. der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Das BetrAVG enthält als Arbeitnehmerschutzgesetz zwar einige einschränkende Regelungen (z.B. Unverfallbarkeit, Auszehrungs-, Anrechnungs- und Abfindungsverbot, Anpassungsprüfung), die der Arbeitgeber als gesetzlichen Mindeststandard zwingend beachten muss, wenn er sich einmal zur Zusage entsprechender Leistungen entschlossen hat, und von denen nach § 17 Abs. 3 S. 3 BetrAVG auch nicht zuungunsten des Arbeitnehmers, und zwar auch nicht mit dessen Zustimmung, abgewichen werden darf. Darüber hinaus sind jedoch nur solche Vereinbarungen unzulässig, die entweder gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) oder gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) verstoßen.
Rz. 8
Der Abschluss eines Tatsachenvergleiches über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anspruches auf betriebliche Versorgungsleistungen wird durch die Regeln des BetrAVG nicht ausgeschlossen (BAG v. 18.12.1984 – 3 AZR 125/84, DB 1985, 1949 = NZA 1986, 95; BAG v. 23.8.1994 – 3 AZR 825/93, DB 1995, 52).
Rz. 9
I.Ü. empfiehlt es sich, den Inhalt und Umfang betrieblicher Versorgungsleistungen so genau wie möglich zu erfassen und bei der vertraglichen Ausgestaltung betrieblicher Versorgungsordnungen Auslegungsvarianten zu vermeiden. Im Zweifelsfall gilt nämlich die sog. "Unklarheitenregel", nach der der Arbeitgeber bei mehrdeutigen Verträgen die für ihn ungünstigere Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen muss, wenn er ein entsprechendes Vertrauen bei seinen Arbeitnehmern erweckt hat (BAG v. 25.5.1973 – 3 AZR 405/72, NJW 1973, 1948; BAG v. 16.3.1982 – 3 AZR 843/79, DB 1982, 1728). Werden Versorgungsregelungen in einer generell für alle Mitarbeiter geltenden Versorgungsordnung festgehalten, so handelt es sich dabei um allgemeine Geschäftsbedingungen, die den Anforderungen der §§ 305 ff. BGB genügen müssen und insoweit der gerichtlichen Inhaltskontrolle unterliegen (BAG v. 23.3.2021 – 3 AZR 99/20, NZA 2021, 783 = Langohr-Plato, juris PR-ArbR 27/2021 Anm. 5; BAG v. 2.12.2021 – 3 AZR 254/21, NZA 2022, 481).
1. Leistungen zur Altersversorgung
Rz. 10
Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen der Altersversorgung ist u.a. regelmäßig das Erreichen einer bestimmten Altersgrenze, i.d.R. analog zur Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung. Hinsich...