Dr. iur. Uwe Langohr-Plato
Rz. 292
Gem. § 7 Abs. 5 BetrAVG besteht ein Haftungsausschluss des PSV für den Fall einer rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme. Dem PSV obliegt dabei nach den allgemeinen zivilprozessualen Beweisregeln grds. die Pflicht, den Missbrauchstatbestand sowie die Missbrauchsabsicht nachzuweisen, wobei sich die Nachweispflicht auch auf ein kollusives Zusammenwirken von Arbeitnehmer und Arbeitgeber erstreckt (BAG v. 29.11.1988 – 3 AZR 184/87, NZA 1989, 426; BAG v. 26.6.1990 – 3 AZR 641/88, NZA 1991, 144). Die Umstände des konkreten Einzelfalls müssen insgesamt die Annahme rechtfertigen, dass die Inanspruchnahme des PSV der alleinige oder überwiegende Zweck der Versorgungszusage bzw. ihrer Verbesserung gewesen ist (BAG v. 8.5.1990 – 3 AZR 121/89, NZA 1990, 931).
Rz. 293
§ 7 Abs. 5 BetrAVG erfasst auch rechtsmissbräuchliche Verbesserungen im Zusammenhang mit einer nach § 16 BetrAVG durchgeführten Anpassung laufender Rentenleistungen, d.h. solche Anpassungen, die über die Erfüllung der aus § 16 BetrAVG folgenden rechtlichen Verpflichtung hinaus erfolgen (Blomeyer/Rolfs/Otto, BetrAVG, § 7 Rn 285). Insoweit gesteht die Rspr. dem Arbeitgeber einen weiten Ermessensspielraum zu (vgl. BAG v. 29.11.1988 – 3 AZR 184/87, NZA 1989, 426; BAG v. 8.5.1990 – 3 AZR 121/89, NZA 1990, 931; BAG v. 26.4.1994 – 3 AZR 981/93, NZA 1995, 73).
Rz. 294
Eine unangemessen hohe Versorgungsverpflichtung, geschäftliche oder verwandtschaftliche Verbindungen zwischen Versorgungsberechtigtem und Arbeitgeber sowie die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers bei Erteilung oder Verbesserung der Versorgungszusage können Indizien einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung zulasten des PSV sein Um dem PSV insoweit seine Nachweispflichten zu erleichtern, sieht § 7 BetrAVG zwei Beweiserleichterungen vor:
Rz. 295
Zunächst einmal besteht nach § 7 Abs. 5 S. 2 BetrAVG eine widerlegbare Missbrauchsvermutung, wenn bei der Erteilung oder Verbesserung einer Versorgungszusage im Hinblick auf die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu erwarten ist, dass die Zusage nicht erfüllt werden kann. Dann obliegt es dem Versorgungsberechtigten nachzuweisen, dass der Zweck der Zusageerteilung bzw. -verbesserung nicht auf eine Inanspruchnahme des PSV gerichtet war (BAG v. 29.11.1988 – 3 AZR 184/87, NZA 1989, 426).
Rz. 296
Eine bloß schlechte wirtschaftliche Lage im Zeitpunkt der Zusageerteilung bzw. ihrer Verbesserung indiziert allerdings einen Versicherungsmissbrauch nicht (vgl. BAG v. 29.11.1988 – 3 AZR 184/87, NZA 1989, 426; BAG v. 8.5.1990 – 3 AZR 121/89, NZA 1990, 931; BAG v. 10.3.1992 – 3 AZR 140/91, NZA 1992, 932).
Rz. 297
Die widerlegbare Vermutung des § 7 Abs. 5 S. 2 BetrAVG greift i.Ü. mangels ausdrücklicher Erwähnung im Gesetz auch nicht bei der wirtschaftlichen Verwertung einer Direktversicherung, d.h. bei deren Beleihung, Abtretung oder Verpfändung ein (BAG v. 26.6.1990 – 3 AZR 641/88, NZA 1991, 144).
Rz. 298
Darüber hinaus enthält § 7 Abs. 5 S. 3 BetrAVG unabhängig von einer tatsächlichen Missbrauchsabsicht der Vertragsparteien eine unwiderlegbare Missbrauchsvermutung (BAG v. 24.6.1986, DB 1987, 587) für Verbesserungen von Versorgungszusagen, die innerhalb der letzten beiden Jahre vor Eintritt des Sicherungsfalles erfolgt sind. Dieser absolute Haftungsausschluss gilt also auch dann, wenn den Vertragsparteien der Nachweis gelingt, ohne Missbrauchsabsicht gehandelt zu haben.
Rz. 299
Dieser Haftungsausschluss gilt auch für Rentenanpassungen nach § 16 BetrAVG, sofern es sich nicht um eine "automatische" oder "planmäßige", d.h. vertraglich vereinbarte Rentenanpassung handelt (BAG v. 26.4.1994 – 3 AZR 981/93, NZA 1995, 73). Dagegen gilt die unwiderlegbare Missbrauchsvermutung nicht bei Steigerungen der Bemessungsgrundlage (z.B. "ruhegeldfähiges Endgehalt", vgl. BAG v. 20.7.1993 – 3 AZR 99/93, NZA 1994, 121) sowie im Fall der Beleihung einer Direktversicherung durch den Arbeitgeber (BAG v. 26.6.1990 – 3 AZR 641/88, NZA 1991, 144), und zwar auch dann nicht, wenn das Bezugsrecht unwiderruflich ausgestaltet war (BAG v. 17.10.1995 – 3 AZR 420/94, BB 1996, 1389).