Dr. iur. Uwe Langohr-Plato
Rz. 497
Die bei der Gewährung betrieblicher Versorgungsleistungen vom Arbeitgeber zu berücksichtigende Gleichbehandlung erstreckt sich nur auf die zugesagte Versorgungsverpflichtung. Hat also der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern eine bestimmte Versorgungsleistung versprochen, muss diese Leistung dem Grundsatz der Lohngleichheit entsprechen. Wie der Arbeitgeber diese Leistung finanziert, ist dagegen nicht Gegenstand des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Nicht zu beanstanden ist daher ein nach dem Geschlecht unterschiedlicher Finanzierungsaufwand für die für beide Geschlechter im identischen Umfang zugesagten Versorgungsleistungen (EuGH v. 22.12.1993 – Rs. C-152/91 [Neath], DB 1994, 484 = AuR 1994, 110).
Rz. 498
Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Versorgungsordnung ein Beitragsprimat zugrunde liegt, d.h., der Arbeitgeber sich nicht zur Erbringung einer bestimmten Versorgungsleistung, sondern nur zur Gewährung eines bestimmten Versorgungsaufwandes ggü. seinen Mitarbeitern verpflichtet hat. Dann unterliegt nur dieser Versorgungsbeitrag dem Gleichbehandlungsgrundsatz, mit der Konsequenz, dass sich nach versicherungsmathematischen Grundsätzen aus diesem Beitrag berechnete geschlechtsspezifisch unterschiedliche Versorgungsleistungen nicht zu beanstanden sind (vgl. auch Doetsch, BetrAV 1997, 30). Ein sog. betriebsrentenrechtlicher "Unisex-Tarif", d.h. eine Versorgungsformel, die sowohl auf der Beitrags- als auch auf der Leistungsebene gleichbehandelt, also für den gleichen Beitrag identische Leistungen für männliche wie weibliche Arbeitnehmer gewährt, ist somit bei ausschließlich arbeitgeberfinanzierten Versorgungssystemen nicht erforderlich (EuGH v. 28.9.1994 – Rs. C-200/91 [Coloroll], NZA 1994, 1073).
Rz. 499
Soweit allerdings das Versorgungssystem mit Arbeitnehmerbeiträgen, die Bestandteil deren Entgelts sind, finanziert wird, ist jegliche geschlechtsspezifische Differenzierung unzulässig. Hinsichtlich dieser Arbeitnehmerbeiträge ist eine "absolute Gleichbehandlung" sowohl auf der Beitrags- als auch auf der Leistungsseite zu gewährleisten (EuGH v. 28.9.1994 – Rs. C-200/91 [Coloroll], NZA 1994, 1073).
Rz. 500
In seiner Entscheidung vom 1.3.2011 (Rs. C-236/09, BetrAV 2011, 168) hat der EuGH jedoch die in Art. 5 der Dienstleistungsrichtlinie 2004/113/EG enthaltene Ausnahmeregelung für die Gestaltung von Versicherungstarifen mit Wirkung ab dem 21.12.2012 für ungültig erklärt. Begründet wird dies im Wesentlichen damit, dass eine zeitlich unbegrenzte geschlechtsspezifisch unterschiedliche Prämienkalkulation gegen das in Art. 21 und 23 der EU-Grundrechtscharta zwingende Verbot der Diskriminierung wegen des Geschlechts verstößt. Art. 5 RiLi 2004/113/EG ist als Ausnahmeregelung ausgestaltet und sollte gerade keine unbefristete Ungleichbehandlung ermöglichen.
Rz. 501
In der betrieblichen Altersversorgung ist allerdings strikt zwischen dem arbeitsvertraglichen (betriebsrentenrechtlichen) Grundverhältnis und einem daneben ggf. bestehenden Versicherungsvertragsverhältnis zu differenzieren. Vor diesem Hintergrund ist zunächst einmal festzustellen, dass sich das EuGH-Urteil v. 1.3.2011 ausschließlich mit dem Versicherungsvertragsverhältnis und der hierfür bislang geltenden Richtlinie 2004/113/EG befasst; Ausführungen zur betrieblichen Altersversorgung enthält das Urteil nicht. Ob und ggf. wie sich das Urteil in der betrieblichen Altersversorgung auswirkt, ist derzeit noch nicht abschließend geklärt (vgl. den Diskussionsstand bei Birk, BetrAV 2012, 7; Langohr-Plato, BetrAV 2012, 292; Temming, BetrAV 2012, 391; Reinecke, BetrAV 2012, 402). Hier bleiben die weitere Rechtsprechung und Rechtsentwicklung abzuwarten. Es ist allerdings davon auszugehen, dass künftig bei versicherungsförmig ausgestalteten betrieblichen Versorgungssystemen sowie bei Berechnungen, die auf versicherungsmathematischer Grundlage erfolgen (z.B. Abfindungsbeträge, Übertragungswert, Versorgungsausgleich), eine geschlechtsspezifische Differenzierung nicht mehr zulässig ist (vgl. hierzu: Langohr-Plato, BetrAV 2012, 292, 294).