Dr. iur. Uwe Langohr-Plato
Rz. 56
Der Arbeitgeber kann seinen Willen, unter bestimmten, näher geregelten Voraussetzungen Versorgungsleistungen zu gewähren, auch durch eine einseitige Erklärung an die gesamte Belegschaft zum Ausdruck bringen. Auch bei einer derartigen Gesamtzusage werden vertragliche Ansprüche begründet. Erforderlich ist dabei, dass das Leistungsversprechen der gesamten Belegschaft ggü. bekannt gemacht wird. Akte der internen Willensbildung reichen hierzu nicht aus (vgl.: BAG v. 22.12.2009 – 3 AZR 136/08, DB 2010, 1074). Die Bekanntmachung erfolgt daher in aller Regel durch Rundschreiben, durch Aushang am Schwarzen Brett oder ggf. durch Veröffentlichung im Intranet des Unternehmens. Eine ausdrückliche Vertragsannahme durch den einzelnen Arbeitnehmer wird hierbei nicht erwartet und ist nach § 151 BGB auch nicht erforderlich (BAG v. 22.12.2009 – 3 AZR 136/08, DB 2010, 1074; BAG v. 4.6.2008 – 4 AZR 421/07, AP BGB § 151 Nr. 4). Gesamtzusagen werden bereits dann wirksam, wenn der einzelne Arbeitnehmer durch die Form der Bekanntgabe typischerweise in die Lage versetzt wird, von der Erklärung Kenntnis zu nehmen (BAG v. 11.12.2007 – 1 AZR 953/06, DB 2008, 1215).
Rz. 57
Gesamtzusagen sind von ihrer Systematik her eine Bündelung gleichlautender Einzelzusagen, für deren Behandlung (Vertragsbegründung, Auslegung, Billigkeitskontrolle etc.) die allgemeinen Grundsätze des Individualvertragsrechtes gelten (BAG v. 16.9.1986, BB 1987, 265 = DB 1987, 383 = NZA 1987, 168).
Rz. 58
Im Hinblick auf ihren kollektiven Einschlag ergeben sich für Gesamtzusagen jedoch Besonderheiten bei der Kollision mit echten kollektivrechtlichen Versorgungsvereinbarungen und zwar insb. im Zusammenhang mit der Zulässigkeit sog. "ablösender Betriebsvereinbarungen". So können Individualzusagen grds. nur durch eine Änderungskündigung zum Nachteil der Versorgungsberechtigten abgeändert werden, wohingegen bei Gesamtzusagen auch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung zulässig ist, sofern die Gesamtzusage den ausdrücklichen Vorbehalt der Betriebsvereinbarungsoffenheit enthält. Nach neuerer Rechtsprechung des BAG (10.3.2015 – 3 AZR 56/14, juris) ist diese Betriebsvereinbarungsoffenheit aber grundsätzlich zu unterstellen. Der Arbeitgeber, der Leistungen der betrieblichen Altersversorgung im Wege einer Gesamtzusage verspricht, will diese nach einheitlichen Regeln, d.h. als generelles System, erbringen. Da die Geltung der Regelungen auf einen längeren, unbestimmten Zeitraum angelegt ist, sind diese von vornherein auch für die Begünstigten erkennbar einem möglichen künftigen Änderungsbedarf ausgesetzt. Ein solches System darf somit nicht erstarren. Der Arbeitgeber sagt daher mit einer Gesamtzusage im Regelfall nur eine Versorgung nach den jeweils bei ihm geltenden Versorgungsregeln zu. Nur so wird eine einheitliche Anwendung der Versorgungsordnung auf alle Arbeitnehmer und Versorgungsempfänger des Arbeitgebers, für die die Versorgungsordnung gelten soll, sichergestellt. Soll sich die Versorgung dagegen ausschließlich nach den bei Erteilung der Gesamtzusage geltenden Versorgungsbedingungen richten, muss der Arbeitgeber dies in der Gesamtzusage deutlich zum Ausdruck bringen (BAG v. 10.3.2015 – 3 AZR 56/14, juris).
Diese Rechtsprechung lässt sich ohne weiteres auf alle auf allgemeinen, generalisierenden Arbeitsbedingungen beruhenden Regelungen mit kollektivem Bezug übertragen, die auf sonstige dauerhafte oder wiederkehrende Leistungen gerichtet sind (LAG Düsseldorf v. 23.6.2017 – 6 Sa 110/17 – juris; LAG Hessen v. 15.2.2016 – 7 Sa 1558/14 – juris), also auch auf durch betriebliche Übung entstandene Versorgungsverpflichtungen (LAG Düsseldorf v. 23.6.2017 – 6 Sa 110/17 – juris). Die Rechtsprechung stuft offensichtlich alle auf allgemeinen, generalisierenden Arbeitsbedingungen beruhenden Regelungen mit kollektivem Bezug als betriebsvereinbarungsoffen ein. Die Ablösung von Leistungen, die durch eine Gesamtzusage eingeführt wurden, ist damit ohne Rücksicht auf die Einstufung als "betriebliche Sozialleistung" durch eine Betriebsvereinbarung ohne weiteres möglich (vgl. u.a. auch: LAG Düsseldorf v. 23.6.2017 – 6 Sa 110/17 – juris; LAG Hessen v. 15.2.2016 – 7 Sa 1558/14 – juris; LAG Rheinland-Pfalz v. 20.4.2015 – 2 Sa 543/14 – juris).