Dr. iur. Karl-Peter Pühler
A. Einführung
Rz. 1
Die meisten Arbeitgeber gewähren ihren Arbeitnehmern neben dem Arbeitsentgelt und weiteren Fürsorgeleistungen auch Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Ausnahmen bestehen lediglich bei kleineren Arbeitgebern mit einem geringen Personalbestand. Die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, die in den letzten Jahren zunehmend Entgeltcharakter tragen, sind eine Mischform aus einer Sozialleistung des Arbeitgebers und aus einem nach Abschluss des Arbeitsverhältnisses und Eintritt der vereinbarten Versorgungsvoraussetzungen gezahlten Arbeitsentgelt.
Rz. 2
Dabei werden die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung (bAV) neben der ersten Säule in der gesetzlichen Rentenversicherung und der dritten Säule, der privaten Eigenvorsorge, als zweite Säule der Altersversorgung bezeichnet (3-Säulen-Modell). Dabei ist der Leistungskatalog der betrieblichen Altersversorgung nicht nur auf reine Altersleistungen gerichtet. Daneben werden auch Leistungen zur Absicherung der wirtschaftlichen Folgen beim Tod während und nach dem Arbeitsverhältnis und bei Invalidität versprochen. Ergänzend gewähren Arbeitgeber auch weitere Leistungen nach der aktiven Arbeitsphase (z.B. zur Krankheitsfürsorge) die in der Regel zu Abgrenzungsfragen führen.
Rz. 3
Im Kündigungsschutzprozess und in Verhandlungen über eine außergerichtliche Aufhebung von Arbeitsverträgen nach einer Kündigung wird die betriebliche Altersversorgung gerne ausgeklammert, weil es sich um einen Randbereich handelt, der nicht vollständig in das Bewusstsein der Vertragspartner eingeflossen ist. Oftmals bedarf es umfangreicher Rückfragen bei Dritten, um die korrekte Lösung zu erkennen. Gleichwohl haben die Sozialleistungen der betrieblichen Altersversorgung, die die teuerste Form der betrieblichen Sozialleistungen darstellen, erhebliche Bedeutung:
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Die Arbeitnehmer haben Interesse an einer Sicherung ihrer Rechte auch über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus, |
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die Arbeitgeber versuchen ihre Leistungsverpflichtungen auf den gesetzlichen Mindeststandard zu beschränken. |
Rz. 4
Generell erfordert die Regelung der betrieblichen Altersversorgung im Prozess und in der außergerichtlichen Aufhebungsverhandlung ein sorgfältiges Vorgehen und klare Grundlagen, weil die zugesagte betriebliche Altersversorgung oftmals die einzige Ausprägung aus dem Arbeitsverhältnis ist, bei der ein ausgeschiedener Arbeitnehmer dennoch auf Dauer in einem rechtlichen Band zum Arbeitgeber verbleibt.
Im Folgenden wird ein Überblick über den rechtlichen Rahmen in der betrieblichen Altersversorgung, über die im Betriebsrentengesetz geschützten und geregelten Durchführungswege und über die Inhalte der den Arbeitnehmern erteilten Versorgungszusagen dargestellt. Anschließend werden Hinweise zum Vorgehen im Prozess gegeben.
B. Begriff der betrieblichen Altersversorgung
Rz. 5
Rechtliche Grundlage der betrieblichen Altersversorgung ist das Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung. Dieses Gesetz ist als Arbeitnehmerschutzgesetz aus der vorher einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entstanden. Auch in den letzten Jahrzehnten nach dem Erlass des BetrAVG wird die Materie der betrieblichen Altersversorgung weitgehend durch die Rechtsprechung des 3. Senats des BAG bestimmt. Dieses Gesetz bestimmt den Inhalt des Versorgungsverhältnisses und ist weitgehend unabdingbar. Abweichungen sind nur zugunsten des Arbeitnehmers möglich, Ausnahmebestimmungen, die auch Regelungen zu Ungunsten der Arbeitnehmer ermöglichen, ergeben sich bei tarifvertraglichen Regelungen im Rahmen des § 17 Abs. 3 BetrAVG.
Rz. 6
Nach seinem sachlichen Geltungsbereich findet das BetrAVG nur auf Leistungen der bAV Anwendung. Bei diesen Leistungen handelt es sich um Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung, die aus Anlass des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt worden sind (§ 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG). Schwierig sind in der Praxis Abgrenzungen von anderen Arbeitgeberleistungen, weil die zwingenden Schutzvorschriften des BetrAVG (Unverfallbarkeit, Insolvenzsicherung, Anpassung) nur auf die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung angewendet werden können. Abgrenzungsschwierigkeiten treten vor allem gegenüber anderen betrieblichen Sozialleistungen auf (Beispiele: Übergangsgelder, Entgeltfortzahlungen, Sterbegelder, Vermögensbildung, Abfindungen, Jubiläums- und Treuegelder). Aufgrund der von der Rechtsprechung entwickelten Abgrenzungspraxis können die meisten Fragen nach dem folgenden Schema gelöst werden:
I. Abgrenzung entsprechend einem biologischen Ereignis
Rz. 7
Leistungen der betrieblichen Altersversorgung müssen durch ein biologisches Ereignis ausgelöst worden sein. Biologische Ereignisse sind dabei Alter, Invalidität oder Tod. Abgrenzungsprobleme können sich dabei ergeben, wenn Leistungen des Arbeitgeber...