Prof. Dr. Hans Josef Vogel
Rz. 52
Erheblich sind nach dem klaren Wortlaut des § 651g Abs. 1 S. 3 BGB Vertragsänderungen nur dann, wenn die Änderungen des Pflichtenprogramms des Reiseveranstalters in erheblichem Maße wesentliche Eigenschaften der Reise oder vereinbarte Sonderwünsche betreffen. Die wesentlichen Eigenschaften der Reise sind in Art. 250 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB abschließend aufgeführt und dem Reisenden mitzuteilen. Ebenfalls kann eine Änderung der besonderen Vorgaben des Reisenden (der Sonderwunsch) eine erhebliche Vertragsänderung begründen.
Rz. 53
Die Richtlinie selbst nennt in Erwägungsgrund 33 eine Änderung der vertraglich vereinbarten Anreise- oder Ankunftszeiten, die zu beträchtlichen Unannehmlichkeiten oder zusätzlichen Kosten führen, als Beispiel einer erheblichen Vertragsänderung. Ein Wechsel des Hotels ist dann keine erhebliche Änderung, wenn die neue Unterkunft den Merkmalen (Klassifizierung, Lage, Ausstattung etc.) der gebuchten Unterkunft entspricht. Nicht jede Änderung der in § 651g Abs. 1 S. 3 BGB i.V.m. Art. 250 § 3 Nr. 1 EGBGB genannten Kriterien ist zugleich auch eine erhebliche Änderung. Auch hier bedarf es eines wertenden Blicks auf die Bedeutung und Schwere der Änderung. Neben der Auswirkung der Änderung muss auch die Bedeutung des geänderten Merkmals für die Reise beachtet werden – so kann eben auch ein quantitativ nur geringer Teil der Reise so entscheidend sein, dass eine Änderung zum Rücktritt berechtigt. Wenn der Reisende schließlich nicht von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch macht, ist die Reise nicht nur wegen der Vertragsänderung mangelhaft. Allerdings ist der Reisende nicht ohne Ansprüche: Vielmehr ist der Reisepreis bei fehlender Gleichwertigkeit oder bei geringeren Kosten des Reiseveranstalters gemindert, § 651g Abs. 3 S. 2 BGB.
Rz. 54
Voraussetzung ist weiterhin, dass der Reiseveranstalter objektiv gezwungen ist, die Reise aufgrund eines nach Vertragsschluss eingetretenen Umstands unter erheblichen Änderungen zu verschaffen. Notwendig sind also Veränderungen bei objektiv äußeren Umständen. Änderungen aus anderen Gründen (wie z.B. Wirtschaftlichkeit, falsche Kapazitätsplanung) oder aus Gründen, die bereits bei Vertragsschluss vorlagen oder dem Reiseveranstalter zumindest hätten bekannt sein können, sind hiervon nicht umfasst. Der Reiseveranstalter kann also nicht etwa kurzfristig auf eine veränderte Buchungs- oder Nachfragesituation reagieren. Auch kann bei der erheblichen Vertragsänderung der Reiseveranstalter die Reise nicht einseitig ändern. Vielmehr muss er unter Nahelegung und Beweisangebot hinsichtlich der Änderungsnotwendigkeit dem Reisenden vor Antritt der Reise nach § 651g Abs. 1 S. 2 BGB die folgenden Alternativen anbieten:
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Rücktritt vom Vertrag |
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Teilnahme an einer Ersatzreise |
Rz. 55
Darüber hinaus muss der Veranstalter den Reisenden auffordern, sich innerhalb einer angemessenen Frist darüber zu erklären, ob er das Angebot zur Ersatzreise annimmt oder den Rücktritt vom Vertrag erklärt. Nach Ablauf der Frist gilt die Vertragsänderung als angenommen.
Dieser Umstand ist von großer Bedeutung, da er einer der wenigen Fälle ist, in denen dem Schweigen eine Rechtswirkung beikommt. Hier wird, insbesondere bei Abweichungen, die der Reisende rügt, genau zu prüfen sein, ob möglicherweise eine Vertragsänderung kommuniziert wurde und der Reisende hierauf nicht reagiert hat. Selbst wenn allerdings die Vertragsänderung, sei es durch Schweigen oder durch ausdrückliche Annahmeerklärung, zustande kommt, bestehen dennoch Ansprüche, wenn die Pauschalreise im Vergleich zur ursprünglich geschuldeten Reise nicht von mindestens gleichwertiger Beschaffenheit ist. Auch hat der Reisende einen Anspruch auf Erstattung von Kosten, wenn die Reise zwar gleichwertig ist, aber für den Reiseveranstalter mit geringeren Kosten verbunden ist.