Prof. Dr. Hans Josef Vogel
Rz. 140
All diesen Mängelansprüchen liegt die Voraussetzung zugrunde, dass es sich bei dem betreffenden Reisevertrag um einen Pauschalreisevertrag (siehe hierzu bereits Rdn 6 ff.) handelt. Nur wenn diese Voraussetzung bejaht ist, können entsprechende Ansprüche geltend gemacht werden. Handelt es sich dagegen nicht um einen Pauschalreisevertrag, sondern etwa um eine einzelne Reiseleistung oder einen bloßen Vermittlungsvertrag, gelten die Gewährleistungsregeln des jeweiligen Vertragstypus oder aber der Grundsatz des Schadensersatzes wegen einer Pflichtverletzung, § 280 BGB, und Anspruchsgegner ist der einzelne Leistungserbringer.
Weitere Voraussetzung dieser Ansprüche ist das Vorhandensein eines reiserechtlichen Mangels.
aa) Begriff des Mangels
Rz. 141
§ 651i Abs. 2 BGB regelt, dass die Pauschalreise dann frei von Reisemängeln ist, wenn sie die vereinbarte Beschaffenheit hat oder – in Ermangelung einer Beschaffenheitsvereinbarung – sie für den nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen geeignet ist oder, wenn ein solcher Nutzen nicht feststellbar ist, für den gewöhnlichen Nutzen geeignet ist. Letztlich ist der Mangelbegriff im Reiserecht also nichts anderes als der bekannte Satz, dass ein Mangel die Abweichung der Ist- von der Soll-Beschaffenheit ist. Die Soll-Beschaffenheit kann sich ergeben aus:
Auch die Nichtleistung und die Verspätung gelten als Reisemangel.
Der Mangel muss sich auf den Urlaub auswirken – die Schließung eines Kinderpools betrifft ein kinderloses Paar nicht. Indes kann auch hieraus eine Störung erwachsen, wenn deswegen deutlich mehr Kinder als der Größe des für alle Gäste bestimmten Pools zuträglich dort schwimmen oder das Hotel den eigentlich Erwachsenen vorbehaltenen Pool-Bereich nunmehr für alle Besucher öffnet.
bb) Ermittlung des Mangels
Rz. 142
In der Fallbearbeitung muss also der Sachverhalt eruiert werden, der sich tatsächlich dem Reisenden vor Ort darbot. Dies ist letztlich die Ist-Beschaffenheit der Reise. Daneben muss geprüft werden, wie die Soll-Beschaffenheit zu definieren ist.
(1) Beschaffenheitsvereinbarung
Rz. 143
Zunächst ist zu klären, ob eine Beschaffenheit vereinbart wurde. Solche Beschaffenheitsvereinbarungen sind immer Fälle, die nach altem Recht als zugesicherte Eigenschaft einzuordnen waren. Diese kann sich aus konkreten Angaben des Reiseveranstalters ergeben (etwa eine bestimmte Größe eines Zimmers, Anzahl von Restaurants, Beförderungsklasse), die sich neben ausdrücklichen Vereinbarungen (wie etwa verbindliche Sonderwünsche) auch aus den vorvertraglichen Informationen (Art. 250 § 3 EGBGB) und der Reisebestätigung (Art. 250 § 3 Abs. 2 EGBGB) ergeben. Zur Frage der Bedeutung von Erklärungen der Reisevermittler siehe Rdn 183. Nicht jedwede Beschreibung ist auch bereits eine Beschaffenheitsvereinbarung. Oft finden sich Einschränkungen, wie etwa die Angabe einer "typischen" Größe oder der Hinweis, ein Bild zeige ein Einrichtungsbeispiel.
Rz. 144
Fehlt es an einer Beschaffenheitsvereinbarung, sind neben den oben genannten Informationen auch die Reiseausschreibung, der Katalog oder die Website zu Rate zu ziehen. Sie bieten ein dezidiertes Bild des dem Reiseveranstalter obliegenden Pflichtenprogramms. Naturgemäß sind nur diejenigen Aussagen, die jedenfalls einen Tatsachenkern haben, für die Bestimmung der Pflichten des Reiseveranstalters von Bedeutung. Diese müssen indes wahr sein; der Reiseveranstalter kann sich auch nicht darauf zurückziehen, durch versteckte oder unverständliche Hinweise auf Mängel hingewiesen zu haben. Die Beschreibung eines Hotels mit dem Hinweis auf "auditive und visuelle Beeinträchtigungen" ist jedenfalls aus Sicht eines verständigen Durchschnittsreisenden, auf den es ankommt, kein Hinweis auf eine Großbaustelle. Allerdings ist zu beachten, dass der Reiseveranstalter die Haftung für Beeinträchtigungen nicht übernimmt, wenn er entsprechende Hinweise klar erstellt hat, § 651g Abs. 3 S. 1 BGB. Die Hinweise müssen aber klar und deutlich im Prospekt, im Katalog oder auf der Website zum Ausdruck gebracht werden. Eine Einschränkung der Beschaffenheitsvereinbarung ist rechtlich ausgeschlossen. Lediglich die tatsächliche Beschreibung der Umstände vor Ort kann hier zu einer Haftungsmilderung führen, indem eben die Soll-Beschaffenheit klar definiert wird.
(2) Vereinbarter Nutzen der Reise
Rz. 145
Der vereinbarte Nutzen der Reise prägt ebenfalls das Pflichtenprogramm, wenn es keine Beschaffenheitsvereinbarung gab. Die Anforderungen werden sich auch je nach Charakter und Typ der Reise unterscheiden. Für eine Studienreise sind andere Voraussetzungen anzunehmen als für eine einfac...