Rz. 6

Für den Verteidiger kann es häufig sinnvoll sein, auf eine Verfahrenseinstellung gem. §§ 153/153a StPO hinzuwirken. Die Erfahrung zeigt, dass die Staatsanwaltschaften zumindest bei Verletzungen, die im Schweregrad nicht über Prellungen und HWS-Verletzungen hinausgehen, somit noch keine Schwerstverletzungen darstellen, durchaus zu einer Einstellung des Verfahrens gem. § 153a StPO bereit sind.

 

Rz. 7

Oft ist es der Mandant, der dann im Hinblick auf seine eigenen zivilrechtlichen Ansprüche gegenüber dem Unfallgegner Sorge hat, dass die Zahlung einer Geldauflage einem "Schuldanerkenntnis" gleichzusetzen ist. Das ist unzutreffend. Das Strafverfahren ist losgelöst vom zivilrechtlichen Verfahren zu sehen. Die tatsächlichen Feststellungen aus anderen Gerichtsverfahren entfalten keine Bindungswirkung für den Richter des Zivilprozesses. Eine Bindung des Zivilrichters an strafgerichtliche Urteile ist mit der das Zivilprozess beherrschenden freien Beweiswürdigung nicht vereinbar.[1] Der Kläger ist im Zivilverfahren gehalten, substantiiert vorzutragen und hat insofern die Beweislast für die von ihm behaupteten Tatsachen. Demgegenüber gilt im Bußgeldverfahren der Amtsermittlungsgrundsatz. Es ist allgemein nicht ungewöhnlich, dass ein Freispruch im Bußgeldverfahren oder Strafverfahren erfolgt, jedoch eine Klage wegen zivilrechtlicher Ansprüche abgewiesen werden kann. Zudem haben die Auflagen und Weisungen gerade keinen Strafcharakter, sondern werden dem Beschuldigten auferlegt. Sie werden als strafähnliche Sanktion angesehen.[2] Gleichwohl ist zu erkennen, dass diese Trennung in der Praxis tatsächlich nicht stringent vollzogen wird. Ist die Einstellung aus Sicht des Verteidigers gleichwohl sinnvoll und zielführend, kann zur Akte ein Schreiben gereicht werden, in dem auf die Unterschiede zwischen Straf- und Zivilrecht hingewiesen wird, der Mandant weiterhin davon ausgeht, dass der Verkehrsunfall nicht von ihm verursacht wurde und auch bei Einstellung weiterhin die Unschuldsvermutung gilt. Dies ist zwar rein deklaratorisch, beruhigt jedoch vielfach den Mandanten und gibt die Möglichkeit, im zivilrechtlichen Verfahren auf dieses Schreiben zu verweisen, so dass keine negativen Rückschlüsse aus der Zahlung der Geldauflage gezogen werden können.

 

Rz. 8

Muster 35.3: Anschreiben Mandant wegen angedachter Verfahrenseinstellung gem. § 153a StPO

 

Muster 35.3: Anschreiben Mandant wegen angedachter Verfahrenseinstellung gem. § 153a StPO

Sehr geehrter Herr _________________________,

zwischenzeitlich sollte Ihnen das Schreiben der Staatsanwaltschaft _________________________ ebenfalls zugegangen sein. Die Staatsanwaltschaft beabsichtigt, das Ermittlungsverfahren gegen Sie einzustellen, zunächst vorläufig und wenn Sie die Geldauflage von 600 EUR bezahlt haben, endgültig (§ 153a StPO).

Wichtig ist in diesem Zusammenhang zu wissen, dass über Ihre Schuld hier auch bei der Einstellung nach § 153a StPO nicht entschieden wird. Es gilt auch weiterhin die Unschuldsvermutung. Es dürfen also in einem zivilrechtlichen Prozess keine negativen Rückschlüsse wegen der Zahlung der Geldauflage gezogen werden. Insbesondere liegt bei Zahlung kein "Schuldeingeständnis" vor.

Sollten Sie mit der Einstellung nicht einverstanden sein, muss dies der Staatsanwaltschaft mitgeteilt werden. Es ist dann wahrscheinlich, dass die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Sie beim zuständigen Gericht erheben wird.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände sollte aus meiner Sicht die Zustimmung durchaus erteilt werden.

Bitte teilen Sie mir mit, ob Sie mit der Zahlung einverstanden sind. Ich werde dies dann der Staatsanwaltschaft _________________________ mitteilen. Bitte beachten Sie auch, dass der Geldbetrag bis zum

_________________________

zum Kassenzeichen der Staatsanwaltschaft _________________________ zu überweisen ist. Eine fristgerechte Zahlung ist zwingend erforderlich.

Für Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

 

Rz. 9

Muster 35.4: Unschuldsvermutung bei Einstellung gem. §§ 153/153a StPO

 

Muster 35.4: Unschuldsvermutung bei Einstellung gem. §§ 153/153a StPO

In der Strafsache

gegen _________________________

wegen _________________________

erkläre ich nach Rücksprache mit meinem Mandanten für diesen die Zustimmung zur angedachten (vorläufigen) Verfahrenseinstellung gem. § 153a StPO.

Ich weise vorsorglich darauf hin, dass hiermit kein Geständnis im Hinblick auf die Unfallverursachung und die fahrlässige Körperverletzung gem. § 229 StGB verbunden ist. Mein Mandant zahlt lediglich aus zeitlichen und wirtschaftlichen Erwägungen.

Es gilt somit weiterhin die Unschuldsvermutung (vgl. z.B. BVerfG DAR 1991, 17). Die Unschuldsvermutung ist eine besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips und hat Verfassungsrang. Sie ist auch kraft Art. 6 Abs. 2 EMRK Bestandteil des positiven Rechts der Bundesrepublik Deutschland im Range eines Bundesgesetzes (BVerfG NJW 1987, 2427).

[2] Meyer-Goßner/Schmitt, 58. Aufl., § 153a Rn 12.

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