(a) Überblick
Rz. 88
Auch im gerichtlichen Verfahren kommt eine Zusätzliche Gebühr nach Anm. Abs. 1 zu Nr. 4141 VV in Betracht, wenn die Hauptverhandlung vermieden wird, weil
(1) |
das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt wird (Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 1 zu Nr. 4141 VV), |
(2) |
das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnt (Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 2 zu Nr. 4141 VV), |
(3) |
der Einspruch gegen einen Strafbefehl rechtzeitig zurückgenommen wird (Anm. zu Abs. 1 Nr. 3, 1. Alt. zu Nr. 4141 VV), |
(4) |
im schriftlichen Verfahren nach § 411 Abs. 1 S. 2 StPO entschieden wird (Anm. zu Abs. 1 Nr. 5 zu Nr. 4141 VV). |
Rz. 89
Darüber entsteht in analoger Anwendung der Nr. 4141 VV die Zusätzliche Gebühr, wenn
▪ |
der Anwalt nach Anklage erreicht, dass im Strafbefehlsverfahren entschieden wird, |
▪ |
das Gericht den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls zurückweist, |
▪ |
der Privatkläger die Privatklage zurücknimmt. |
Rz. 90
Kein Fall der Zusätzlichen Gebühr liegt vor, wenn unter Mitwirkung des Verteidigers die Sache im Strafbefehlsverfahren abgeschlossen wird (siehe Rdn 98).
(b) Nichteröffnung des Hauptverfahrens
Rz. 91
Nach Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 2 zu Nr. 4141 VV entsteht die Zusätzliche Gebühr, wenn das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnt. Strittig ist, ob die Nichteröffnung rechtskräftig werden muss. Nach zutreffender Auffassung ist das nicht erforderlich, da auch eine Einstellung nicht endgültig sein muss, sondern nur endgültig gewollt sein muss (siehe Rdn 92).
Beispiel 37: Nichteröffnung des Hauptverfahrens, die rechtskräftig wird
Das Gericht lehnt die Eröffnung des Hauptverfahrens aufgrund der Stellungnahme des Verteidigers ab. Die Staatsanwaltschaft legt keine Beschwerde ein.
Lehnt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens nach § 240 StPO ab, so entsteht für den Anwalt, soweit er mitgewirkt hat (Anm. Abs. 2 zu Nr. 4141 VV), neben der Verfahrensgebühr (Nrn. 4106, 4112, 4118 VV) eine Zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV (Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 2 zu Nr. 4141 VV). Das Gleiche gilt auch bei der Ablehnung der Eröffnung nach § 383 Abs. 1 StPO im Privatklageverfahren.
I. |
Verfahren vor dem Amtsgericht |
1. |
Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV |
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181,50 EUR |
2. |
Zusätzliche Gebühr, Nrn. 4141, 4106 VV |
|
181,50 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
383,00 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
72,77 EUR |
Gesamt |
|
455,77 EUR |
II. |
Verfahren vor der Strafkammer oder Jugendkammer |
1. |
Verfahrensgebühr, Nr. 4112 VV |
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203,50 EUR |
2. |
Zusätzliche Gebühr, Nrn. 4141, 4112 VV |
|
203,50 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
427,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
81,13 EUR |
Gesamt |
|
508,13 EUR |
III. |
Verfahren vor dem OLG, dem Schwurgericht oder der Strafkammer nach §§ 74a und 74c GVG oder der Jugendkammer nach Anm. zu Nr. 4118 VV |
1. |
Verfahrensgebühr, Nr. 4118 VV |
|
434,50 EUR |
2. |
Zusätzliche Gebühr, Nrn. 4141, 4118 VV |
|
434,50 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
889,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
168,91 EUR |
Gesamt |
|
1.057,91 EUR |
Rz. 92
Beispiel 38: Nichteröffnung des Hauptverfahrens, auf Beschwerde wird eröffnet
Das Gericht lehnt die Eröffnung des Hauptverfahrens aufgrund der Stellungnahme des Verteidigers ab. Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft werden der Nichteröffnungsbeschluss aufgehoben und die Anklage zugelassen.
Abzurechnen ist wie im vorangegangenen Beispiel, da mit Erlass des Nichteröffnungsbeschlusses die Gebühren nach (Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 2 zu Nr. 4141 VV) entstanden ist. Die spätere Eröffnung steht dem nicht entgegen.
Für das Beschwerdeverfahren entsteht keine gesonderte Vergütung (§ 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 10a RVG). Dies ist nochmals mit der Neufassung der Nr. 17 Nr. 1 RVG durch das KostRÄG 2021 unterstrichen worden.
(c) Zurückweisung des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls
Rz. 93
Lehnt das Gericht den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls ab, steht dies nach § 408 Abs. 2 S. 2 StPO dem Beschluss gleich, durch den die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt wird (§§ 204, 210 Abs. 2, § 211 StPO). Diese Gleichstellung muss auch im Rahmen der Nr. 4141 VV vollzogen werden.
Beispiel 39: Zurückweisung des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls
Das Gericht weist den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls aufgrund der Einlassung des Verteidigers zurück.
Auch dann, wenn das Gericht den Erlass des Strafbefehls ablehnt, entsteht die Zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV. Abz...