Rz. 83
War der Anwalt im vorbereitenden Verfahren beauftragt, kann eine Grundgebühr nicht erneut entstehen, da sich der Anwalt bereits im vorbereitenden Verfahren eingearbeitet und dort die Grundgebühr verdient hat (Anm. Abs. 1 zu Nr. 4100 VV).
Rz. 84
Zu differenzieren ist wiederum danach, ob sich der Beschuldigte auf freiem Fuß befindet oder nicht (Vorbem. 4 Abs. 4 VV).
aa) Beschuldigter befindet sich auf freiem Fuß
(1) Verfahrensgebühr
Rz. 85
Befindet sich der Beschuldigte auf freiem Fuß, entstehen die Gebühren ohne Zuschlag. Der Anwalt erhält zunächst einmal eine Verfahrensgebühr. Die Höhe der Verfahrensgebühr richtet sich nach der Ordnung des Gerichts, vor dem die Anklage erhoben worden ist, bzw., vor dem der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls gestellt worden ist.
Beispiel 34: Gerichtliches Verfahren ohne Zusätzliche Gebühr
Der Anwalt wird im gerichtlichen Verfahren als Verteidiger tätig. Das Verfahren wird ohne sein Zutun außerhalb der Hauptverhandlung eingestellt. Auszugehen ist von der Mittelgebühr.
Angefallen ist jetzt nur die Verfahrensgebühr, die sich nach der Zuständigkeit des Gerichts richtet.
I. |
Verfahren vor dem Amtsgericht |
1. |
Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV |
|
181,50 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
201,50 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
38,29 EUR |
Gesamt |
|
239,79 EUR |
II. |
Verfahren vor der Strafkammer oder Jugendkammer |
1. |
Verfahrensgebühr, Nr. 4112 VV |
|
203,50 EUR |
2. |
Postenentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
223,50 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
42,47 EUR |
Gesamt |
|
265,97 EUR |
III. |
Verfahren vor dem OLG, dem Schwurgericht oder der Strafkammer nach §§ 74a und 74c GVG oder der Jugendkammer nach Anm. zu Nr. 4118 VV |
1. |
Verfahrensgebühr, Nr. 4118 VV |
|
434,50 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
454,50 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
86,36 EUR |
Gesamt |
|
540,86 EUR |
Rz. 86
Beispiel 35: Gerichtliches Verfahren mit Strafbefehl
Der Anwalt wird im gerichtlichen Verfahren als Verteidiger tätig. Es ergeht ein Strafbefehl, gegen den kein Einspruch eingelegt wird.
Mit Eingang des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls beginnt das gerichtliche Verfahren (Anm. zu Nr. 4104 VV). Der Anwalt verdient also im Strafbefehlsverfahren wie auch im gerichtlichen Verfahren eine Verfahrensgebühr. Abzurechnen ist wie im vorangegangenen Beispiel 34. Dazu, dass in diesem Fall keine Zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV anfallen kann, siehe Rdn 98.
(2) Terminsgebühr für Termine außerhalb der Hauptverhandlung
Rz. 87
Entstehen kann auch eine Terminsgebühr nach Nr. 4102 VV. Sie entsteht in diesem Verfahrensabschnitt erneut, unabhängig davon, ob die Gebühr im vorbereitenden Verfahren bereits entstanden ist und wie viele Termine dort stattgefunden hatten.
Beispiel 36: Gerichtliches Verfahren mit Termin außerhalb der Hauptverhandlung
Nach Eingang der Akten führt das AG Köln zunächst im Wege der Rechtshilfe einen auswärtigen Zeugenvernehmungstermin in Bremen durch, an dem der Verteidiger teilnimmt. Das Verfahren wird anschließend ohne Zutun des Verteidigers eingestellt.
Jetzt erhält der Anwalt neben der Grund- und der Verfahrensgebühr eine Terminsgebühr nach Nr. 4102 Nr. 1 VV, die hier allerdings weit überdurchschnittlich anzusetzen sein dürfte.
1. |
Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV |
|
181,50 EUR |
2. |
Terminsgebühr, Nr. 4102 Nr. 1 VV (50 % über Mittelgebühr) |
|
280,50 EUR |
3. |
Fahrtkosten, Nr. 7003 VV Köln-Bremen u. zurück, 2 x 300 km x 0,42 EUR |
|
252,00 EUR |
4. |
Abwesenheitsentgelt, Nr. 7005 Nr. 3 VV |
|
80.00 EUR |
5. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
814,00 EUR |
|
6. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
154,66 EUR |
Gesamt |
|
968,66 EUR |
(3) Zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV ohne Hauptverhandlung
(a) Überblick
Rz. 88
Auch im gerichtlichen Verfahren kommt eine Zusätzliche Gebühr nach Anm. Abs. 1 zu Nr. 4141 VV in Betracht, wenn die Hauptverhandlung vermieden wird, weil
(1) |
das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt wird (Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 1 zu Nr. 4141 VV), |
(2) |
das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnt (Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 2 zu Nr. 4141 VV), |
(3) |
der Einspruch gegen einen Strafbefehl rechtzeitig zurückgenommen wird (Anm. zu Abs. 1 Nr. 3, 1. Alt. zu Nr. 4141 VV), |
(4) |
im schriftlichen Verfahren nach § 411 Abs. 1 S. 2 StPO entschieden wird (Anm. zu Abs. 1 Nr. 5 zu Nr. 4141 VV). |
Rz. 89
Darüber entsteht in analoger Anwendung der Nr. 4141 VV die Zusätzliche Gebühr, wenn
▪ |
der Anwalt nach Anklage erreicht, dass im Strafbefehlsverfahren entschieden wird, |
▪ |
das Gericht den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls zurückweist, |
▪ |
der Privatkläger die Privatklage zurücknimmt. |
Rz. 90
Kein Fall der Zusätzlichen Gebühr liegt vor, wenn unter Mitwirkung des Verteidigers die Sache im Strafbefehlsverfahren abgeschlossen wird (siehe Rdn 98).