Rz. 62

Wird ein Bußgeldverfahren von der Staatsanwaltschaft übernommen, um die Sache als Straftat zu verfolgen, so gilt das Strafverfahren als eigene Angelegenheit. Auch wenn § 17 Nr. 10 RVG nur den umgekehrten Fall regelt, sind Bußgeld- und Strafverfahren immer verschiedene Angelegenheiten, da die Gebühren in gesonderten Teilen des VV geregelt sind. Anderenfalls wäre zudem die Anrechnungsvorschrift der Anm. Abs. 2 zu Nr. 4100 VV überflüssig.

 

Rz. 63

Der Anwalt erhält also im Bußgeldverfahren die Gebühren nach Teil 5 VV und im Strafverfahren die Gebühren nach Teil 4 VV. Lediglich die Grundgebühr ist anzurechnen (Anm. Abs. 2 zu Nr. 4100 VV), soweit das vorangegangene Bußgeldverfahren dieselbe Tat betrifft.

 

Rz. 64

Eine Zusätzliche Gebühr nach Nr. 5115 VV im Bußgeldverfahren entsteht nicht, da dieses Verfahren nicht eingestellt wird, sondern die Staatsanwaltschaft auch die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit übernimmt (§§ 40 ff. OWiG).

 

Beispiel 28: Übernahme eines vorangegangenen Bußgeldverfahrens zur weiteren Verfolgung als Strafsache wegen derselben Tat bzw. Handlung

Gegen den Mandanten war nach einem Verkehrsunfall ein Bußgeldverfahren wegen des Verdachts einer Vorfahrtsverletzung eingeleitet worden (Bußgeldandrohung: 50,00 EUR). Dieses Verfahren wurde dann wegen des Verdachts einer fahrlässigen Körperverletzung an die Staatsanwaltschaft zur weiteren Verfolgung als Strafsache abgegeben.

Der Anwalt erhält im Bußgeldverfahren die Gebühren nach Teil 5 VV und im Strafverfahren die Gebühren nach Teil 4 VV. Die Grundgebühr Nr. 5100 VV ist anzurechnen (Anm. Abs. 2 zu Nr. 4100 VV), da das vorangegangene Bußgeldverfahren dieselbe Tat betraf.

Eine Zusätzliche Gebühr nach Nr. 5115 VV ist im Bußgeldverfahren nicht angefallen.

 
I. Bußgeldverfahren
1. Grundgebühr, Nr. 5100 VV   110,00 EUR
2. Verfahrensgebühr, Nr. 5103 VV   176,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 306,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   58,14 EUR
Gesamt   364,14 EUR
II. Strafverfahren
1. Grundgebühr, Nr. 4100 VV   220,00 EUR
2. gem. Anm. zu Nr. 4100 VV anzurechnen   – 110,00 EUR
3. Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV   181,50 EUR
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 311,50 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   59,19 EUR
Gesamt   370,69 EUR
 

Rz. 65

Liegt dem Strafverfahren eine andere Tat oder Handlung zugrunde, wird nicht angerechnet, da der Anwalt sich dann neu einarbeiten muss.

 

Beispiel 29: Übernahme eines vorangegangenen Bußgeldverfahrens zur weiteren Verfolgung als Strafsache wegen anderer Tat bzw. Handlung

Gegen den Mandanten war ein Bußgeldverfahren wegen einer Geschwindigkeitsübertretung eingeleitet worden (Bußgeldandrohung: 50,00 EUR). Später stellt sich heraus, dass der Mandant nicht im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis ist, sodass die Sache an die Staatsanwaltschaft zur weiteren Verfolgung als Strafsache abgegeben wird.

Der Anwalt erhält im Bußgeldverfahren die Gebühren nach Teil 5 VV und im Strafverfahren die Gebühren nach Teil 4 VV. Die Grundgebühr Nr. 5100 VV ist jetzt nicht nach Anm. Abs. 2 zu Nr. 4100 VV anzurechnen, da das vorangegangene Bußgeldverfahren eine andere Tat betraf.

 
I. Bußgeldverfahren
1. Grundgebühr, Nr. 5100 VV   110,00 EUR
2. Verfahrensgebühr, Nr. 5103 VV   176,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 306,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   58,14 EUR
Gesamt   364,14 EUR
II. Strafverfahren
1. Grundgebühr, Nr. 4100 VV   220,00 EUR
2. Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV   181,50 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 421,50 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   80,09 EUR
Gesamt   501,59 EUR

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