aa) Überblick
Rz. 104
War der Anwalt bereits im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde beauftragt (siehe Rdn 33 ff.), kann im gerichtlichen Verfahren die Grundgebühr (Nr. 5100 VV) nicht mehr erneut entstehen (Anm. Abs. 1 zu Nr. 5100 VV).
Rz. 105
Ebenso wenig kann die zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nr. 5116 VV erneut entstehen, wenn sie im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde bereits angefallen war (Anm. Abs. 3 zu Nr. 5116 VV).
Rz. 106
Alle sonstigen Gebühren (also Verfahrens- und Terminsgebühren) sowie die Zusätzliche Gebühr nach Nr. 5115 VV können im erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren dagegen wiederum erneut entstehen, da es sich um eine eigene Angelegenheit handelt (§ 17 Nr. 11 RVG).
bb) Postentgeltpauschale
Rz. 107
Strittig war, ob im gerichtlichen Verfahren gegenüber dem Verfahren vor der Verwaltungsbehörde eine gesonderte Postentgeltpauschale nach Nr. 7002 VV anstand. Diese Streiftrage hat der Gesetzgeber mit dem 2. KostRMoG durch die Neufassung des § 17 Nr. 11 RVG zum 1.8.2013 dahingehend geklärt, dass es sich um zwei verschiedene Angelegenheiten handelt und folglich die Postentgeltpauschale gesondert anfällt (siehe Rdn 12). Auch die Kopierkosten sind gesondert zu berechnen (siehe § 38 Rdn 39).
Beispiel 38: Berechnung der Postentgeltpauschale
Der Anwalt war wegen eines Bußgeldes in Höhe von 70,00 EUR im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde tätig und wird anschließend im gerichtlichen Verfahren tätig, in dem die Hauptverhandlung durchgeführt wird.
Nach § 17 Nr. 11 RVG sind das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und das anschließende gerichtliche Verfahren jeweils gesonderte Angelegenheiten, sodass auch zwei Postentgeltpauschalen anfallen.
I. |
Verfahren vor der Verwaltungsbehörde |
1. |
Grundgebühr, Nr. 5100 VV |
|
110,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, Nr. 5103 VV |
|
176,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
306,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
58,14 EUR |
Gesamt |
|
364,14 EUR |
II. |
Gerichtliches Verfahren |
1. |
Verfahrensgebühr, Nr. 5109 VV |
|
176,00 EUR |
2. |
Terminsgebühr, Nr. 5110 VV |
|
280,50 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
476,50 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
90,54 EUR |
Gesamt |
|
567,04 EUR |
cc) Verfahrensgebühr
Rz. 108
Als erstes entsteht im gerichtlichen Verfahren eine Verfahrensgebühr für das Betreiben des Geschäfts. Sie wird bereits mit der Entgegennahme der Information ausgelöst (Vorbem. 5 Abs. 2 VV).
Beispiel 39: Einspruchsrücknahme, Zwei-Wochen-Frist nicht gewahrt
Im gerichtlichen Verfahren wird der Einspruch drei Tage vor dem anberaumten Hauptverhandlungstermin zurückgenommen.
Im gerichtlichen Verfahren entsteht jetzt nur die Verfahrensgebühr, die sich grundsätzlich nach der Höhe des im Bußgeldbescheid verhängten Bußgeldes richtet. Da der Einspruch erst drei Tage vor dem Hauptverhandlungstermin zurückgenommen worden ist, entsteht keine Zusätzliche Gebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 4 zu Nr. 5115 VV, da diese nur dann ausgelöst wird, wenn der Einspruch mehr als zwei Wochen vor einem eventuell anberaumten Hauptverhandlungstermin zurückgenommen wird (siehe Rdn 121).
I. |
Bußgeld unter 60,00 EUR |
1. |
Verfahrensgebühr, Nr. 5107 VV |
|
71,50 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
14,30 EUR |
|
Zwischensumme |
85,80 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
16,30 EUR |
Gesamt |
|
102,10 EUR |
II. |
Bußgeld zwischen 60,00 EUR und 5.000,00 EUR |
1. |
Verfahrensgebühr, Nr. 5109 VV |
|
176,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
196,00 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
37,24 EUR |
Gesamt |
|
233,24 EUR |
III. |
Bußgeld über 5.000,00 EUR |
1. |
Verfahrensgebühr, Nr. 5111 VV |
|
220,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
240,00 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
45,60 EUR |
Gesamt |
|
285,60 EUR |
Rz. 109
Beispiel 40: Einstellung des Verfahrens ohne Hauptverhandlung, keine Mitwirkung des Verteidigers
Das Gericht stellt das Verfahren außerhalb der Hauptverhandlung ohne Mitwirkung des Verteidigers ein.
Zu rechnen ist ebenso wie im vorangegangenen Beispiel 39. Mangels Mitwirkung an der Einstellung kann auch hier keine Zusätzliche Gebühr anfallen.
Rz. 110
Beispiel 41: Vorläufige Einstellung des Verfahrens ohne Hauptverhandlung
Das Gericht stellt das Verfahren außerhalb der Hauptverhandlung vorläufig ein, weil der Betroffene unbekannt ins Ausland verzogen ist.
Zu rechnen ist ebenso wie im Beispiel 39. Da die Einstellung nach § 46 OWiG, § 205 StPO nur vorläufig ist, löst dies keine Zusätzliche Gebühr aus.
dd) Verfahren mit Termin außerhalb der Hauptverhandlung
Rz. 111
Kommt es im gerichtlichen Verfahren nicht zur Hauptverhandlung, sondern nur zu einem Termin außerhalb der Hauptverhandlung, entsteht die gleiche Gebühr wie für eine Hauptverhandlung (Vorbem. 5.1.3 Abs. 1 VV).
Beispiel 42: Gerichtliches Verfahren mit Termin außerhalb der Hauptverhandlung
Das Amtsgericht Köln lässt im Wege der Rechtshilfe vor dem Amtsgericht Bremen einen Zeugen vernehmen. Der Verteidiger nimmt an diesem Termin teil. Anschließend wird die Hauptverhandlung anberaumt. Drei Tage vor der Hauptverhandlung wird der Einspruch zurückgenommen.
Der Verteidiger...